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Müllgipfel in BerlinEin dreckiges Problem

Müllberge in den Hinterhöfen, an den Straßenrändern, auf den Grünflächen: Der Bezirk Mitte will dieses Problem mit einem Müllgipfel angehen.

Leben auf einer Müllhalde – so fühlen sich die Teilnehmenden des Müllgipfels Foto: Dann Pettersson

Berlin taz | Im Müllmuseum im Soldiner Kiez in Mitte sieht es am Donnerstag aus, wie es sich für ein Gipfeltreffen gehört: Fernsehteams sind vor Ort, ein Soundtechniker kümmert sich um die Mikros, der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Erwartungen an den Nachmittag sind groß, schließlich ist das Gipfelthema ebenso wichtig wie unkonventionell: „Müllgipfel 2024“ steht in pinken Riesen-Buchstaben hinter der Bühne an der Wand.

In einem Anflug von „Gipfelitis“ habe sie den Müllgipfel initiiert, sagt Mittes Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) – auch, um zu signalisieren, dass ihr das Müllproblem nicht egal sei. Engagierte Anwohner:innen, die BSR, Recyclinginitiativen, Mitarbeitende des Umweltamts und der Grünen-Bezirksstadtrat für den öffentlichen Raum, Christopher Schriner (Grüne), sind Remlingers Einladung gefolgt. So verschieden die Teilnehmenden, so einig sind sie sich in der Analyse: Berlin hat ein Müllproblem – und zwar ein großes.

„Wir sind verzweifelt“, gibt Remlinger zu. 80 Prozent der Zuschriften, die sie erreichten, beträfen das Thema Müll im Bezirk. Als Mülleimer zweckentfremdete Einkaufswagen, Sperrmüll, To-go-Becher – all das prägt das Stadtbild in Mitte und darüber hinaus. Eine im Vorfeld des Gipfels durchgeführte Umfrage, an der knapp 300 Menschen teilnahmen, zeigte: Am meisten stören sich die Ber­li­ne­r:in­nen an Verpackungs- und Plastikmüll. „Ich überlege umzuziehen, weil ich nicht auf einer Müllhalde leben will“, lautete eine Rückmeldung im Rahmen der Umfrage.

Großer Andrang beim Thema Müll Foto: Dann Pettersson

Remlinger versucht, den Frust der Teilnehmenden aufzufangen: „Auskotzen ist heute definitiv erlaubt. Sie dürfen schimpfen“, sagt sie. Doch was tun – abgesehen vom Schimpfen? Darauf kann auch der explizit einberufene Müllgipfel keine konkreten Antworten geben, denn der soll nur ein Auftakt sein und zunächst einen Raum für Synergien schaffen. Das Müllproblem ist schließlich ein facettenreiches.

Da ist der private Müll, der immer noch nicht ausreichend getrennt wird und in den Weddinger Hinterhöfen die Mülltonnen überquellen lässt. Der öffentliche Müll, der sich links und rechts an Berlins Straßen türmt. Etwa 400 Kilogramm Müll produziert jede Ber­li­ne­r:in pro Jahr. Und dann ist da ja auch noch der Gewerbemüll, der unsachgemäß auf der Straße landet.

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Wie bei Umweltthemen nicht unüblich lautet auch beim Müllgipfel das Credo: Eigenverantwortung. Denn einen „Koffer voll Geld“ hat Remlinger, auch angesichts der angespannten Berliner Haushaltslage, beim Müllgipfel nicht dabei. Stattdessen wird viel über ehrenamtliche Nachbarschaftsinitiativen, selbstorganisierte Tauschbörsen und die Rolle des Ordnungsamts diskutiert. Remlinger zeigt sich offen für eine vom Ordnungsamt beorderte Soko-Müll, wie es sie in Neukölln bereits gibt.

Auf der To-do-Liste der BSR landet vor allem der Wunsch nach einer verbesserten Kommunikation der bereits bestehenden Angebote. Das gilt auch für die sogenannten Kieztage, bei denen Sperrmüll an einer mobilen Sammelstelle im Kiez abgegeben werden kann. Ein hilfreiches Angebot – nur wissen bisher die Wenigsten davon.

Stefanie Remlinger hätte auch gern den Berliner Wohnungsgesellschaften eine To-do-Liste geschrieben – doch ausgerechnet die fehlen am Donnerstag. Trotzdem verlassen die meisten Besucher:in­nen den Gipfel nach eigenen Angaben optimistisch. Zumindest die Ohnmacht gegenüber dem Müllproblem sei etwas kleiner geworden, heißt es. Alles Weitere werde die Zukunft zeigen.

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1 Kommentar

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  • Wenn „Denn einen „Koffer voll Geld“ hat Remlinger, auch angesichts der angespannten Berliner Haushaltslage, beim Müllgipfel nicht dabei. “ Dann läuft etwas mit der Besteuerung der öffentlichen und privaten Gewinne falsch.

    Beispiel: In der Straße in der der Müll liegt , stehen PKW im Gesamt Wert von



    Euro 531.768,21.



    In den Häusern sind Luxus Küchen und Luxus Bäder verbaut im Gesamt Wert von



    Euro 394.765,43



    Da die Einnahmen und Gewinne durch steigende Mieten immer weiter ansteigen, steigen die Steuer Gewinne ebenso immer weiter an. Daher hat die Stadt genügend Geld. Übrigens ein Interessen Konflikt, über den sich Wegner Kai freut, und warum niemand die Absicht hat, die Mieten zu senken.



    Oder anders gesagt, „Niemand hat die Absicht, die Mieten zu erhöhen!“