Die Wiederkehr des Jahres : Motorpsycho
Es gerüchtete bereits von Auflösung – die Trauer wäre groß gewesen. Was haben uns „Motorpsycho“ nicht schon für Sternstunden der Rockmusik bereitet, auf ihren Alben natürlich, nicht zuletzt aber auf der Bühne, wo manch einem und einer von uns ganz schwindlig wurde angesichts des traumwandlerischen Zusammenspiels, der psychedelischen Abfahrten in epischer Breite, des steten Neuerfindens geliebter Songs, wie ja überhaupt Weiterentwicklung im Kosmos „Motorpsycho“ immer hoch im Kurs stand.
Deswegen war die Spannung angesichts der Ankündigung eines neuen Albums mindestens so groß wie die Freude über jenes. Wer würde das Schlagzeug spielen? Welche Perlen der Musikgeschichte würden ausgegraben, bearbeitet und als unverkennbar „Motorpsycho“ neu zusammengesetzt? Würde es Country sein? Pop? Hardrock? Die erste Frage war schnell beantwortet: Kenneth Kapstad ist der Neue am Schlagzeug. Kapstad, knapp 30 Jahre alt und dem einen und der anderen vielleicht bekannt von Bands wie „Monolithic“, „Dadafon“ und „Gåte“, gilt als exzellenter Improvisierer und ist nach mehreren Aushilfsschlagzeugern als festes Mitglied akzeptiert. Das kann eigentlich nur Gutes bedeuten, was am Freitag zu verifizieren ist.
Kommen wir zur Musik: Vier neue Stücke enthält die neue „Motorpsycho“ mit Namen „Little Lucid Moments“, die gleichwohl ein ganzes Album sind. Also vorwärts in die Vergangenheit? Die Songs lassen mit Titeln wie „The Alchemyst – a discourse on Transmutation, pennies dropping & the Luminiferous Aether“ erahnen, in welcher Umlaufbahn die Band der dürstenden Gemeinde Leitstern zu sein gedenkt. Gleich die Eröffnung gibt sich als 20-minütige Suite in vier Teilen – eine gewisse Art von Größenwahn, konterkariert durch eine sympathische Verbindlichkeit, ist schließlich nicht neu im Kontext. Die Vermutung, es handele sich hier um ganz klassischen Stoff – in etwa in Richtung der entsprechenden Stücke von „Timothy’s Monster“ – geht auch nicht allzu sehr daneben. Die große Gitarrenkunst, dieser spezielle Sound, der nichts wissen will von neuzeitlichen Studiomethoden und gerade deswegen so frisch klingt, das Gefühl für Dynamik – all das beglückt den Fan zutiefst und ist bei aller Familiarität doch eigenwillig genug, um nicht nur des Wiederhörens und eines neuen Mitglieds wegen als neues Kapitel in der großen Geschichte der Band zu gelten – auch wenn „Motorpsycho“ so klingen, als sei gar nichts Weltbewegendes geschehen. ASL
Freitag, 20 Uhr, Schlachthof