Moscheen in Ürümqi vorsorglich dicht: Uiguren dürfen nur daheim beten
Die Behörden in der von schweren Unruhen erschütterten Stadt vor dem Freitagsgebet die Moscheen. Es gibt Appelle zu Harmonie - und gleichzeitig Drohungen mit schweren Strafen.
ÜRÜMQI taz | Freitagnachmittag auf der Südlichen Befreiungsstraße von Ürümqi: die Stunde des wichtigsten Gebets der Woche naht, und aus allen Richtungen ziehen Männer zur Weißen Moschee. Sie kommen allein und in Gruppen, und füllen schnell den Vorhof des hell gekachelten Gebäudes mit seinen beiden Zwiebeltürmen. Doch die Tür in die Gebetsräume bleiben verriegelt: Am Vorabend haben die Behörden der Stadt bekannt gegeben, dass die Moscheen der Stadt zum Freitagsgebet "aus Gründen der sozialen Stabilität" geschlossen bleiben sollen.
"Sie haben Angst, dass wir Uiguren uns versammeln und dann etwas geschieht", sagt ein Imam, und versucht, die Gläubigen nach Hause zu schicken. Aber die Menge, die nun zur Weißen Moschee drängt, wird immer größer - ein Akt des stillen Protestes gegen die Regierung.
Der wahre Grund für diese einschneidende Maßnahme: Die Führung fürchtet, die große Ansammlung von gläubigen Uiguren könnte zu neuen Protesten führen. Sie will wohl auch Zwischenfälle verhindern, die die Emotionen noch weiter schüren könnten. Nur ein uigurischer Polizist steht auf dem Bürgersteig. Auf der anderen Straßenseite beobachten mehrere Geheimdienstleute das Geschehen. Nach einer Weile beginnen die ersten Muslime den Hof der Moschee wieder zu verlassen, nachdem sie sich mehrere Male verneigt haben.
Vor einer anderen Moschee schickt ein Ältester mit weißer Kopfbedeckung die Ankömmlinge weg. "Die Regierung hat das Freitagsgebet verboten", sagt ein Passant. "Aber wir können nicht sprechen. Wer was sagt, wird verhaftet." Nicht überall gehen die Gläubigen ohne Proteste wieder heim. Nach Augenzeugenberichten beginnen vor einer anderen Moschee in Ürümqi einige Männer und Frauen plötzlich aufgeregt zu rufen: "Entlasst die Gefangenen." Die Polizei eilt herbei und nimmt einige Uiguren fest.
Fünf Tage nach den schweren Unruhen vom vergangenen Sonntag, bei denen nach offiziellen Angaben 156 Menschen starben, rollt inzwischen eine große Verhaftungswelle. Die Polizei sucht Drahtzieher und Täter. Weit über tausend Menschen wurden bereits festgenommen. Zeitungen veröffentlichen gestern Fotos von Verhafteten, denen die Hände auf dem Rücken gebunden sind.
Unter den uigurischen Frauen herrscht in diesen Stunden große Angst, sie könnten ihre Männer und Söhne nicht mehr wiedersehen. Die Führung hat Hinrichtungen angekündigt. Was die Situation noch verschärft: Viele Uiguren sind in diesen Tagen besonders zornig darüber, dass ihrer Ansicht nach in den Zeitungen und im Rundfunk nur über die Opfer unter den Han-Chinesen berichtet wird, die Übergriffe auf Uiguren jedoch verschwiegen würden. Je weniger offen berichtet wird, umso wilder blühen Gerüchte über heimliche Erschießungen von Uiguren - und heizen die Atmosphäre weiter auf.
Der mächtige Chef des chinesischen Sicherheitsapparats, Politbüromitglied Zhou Yongkang, ist nach Ürümqi gekommen. Das Fernsehen zeigt ihn, wie er han-chinesische und uigurische Verletzte im Krankenhaus besucht. Das mächtigste Führungsgremium des Landes, das Politbüro, hat nach der vorzeitigen Rückkehr von Staats- und Parteichef Hu Jintao aus Italien getagt und erklärt, die Unruhen vom Sonntag seien von Drahtziehern im Ausland und im Inneren Xinjiangs organisiert worden, die den Terrorismus, Separatismus und Extremismus nach China bringen wollen. Damit hat sich die Pekinger Führung offenbar vollständig hinter Xinjiangs Parteichef Wang Lequan gestellt - ein Hinweis darauf, dass sie an der bisherigen harten Haltung in der Region festhalten will.
Den ganzen Tag über rollen Lautsprecherwagen durch die Stadt. Ihre Botschaft ist gemischt: Sie fordern die Bevölkerung auf, Ruhe zu bewahren, beschwören die "Harmonie" und "Stabilität" und drohen jedem, "der das Vaterland spaltet", mit strengen Strafen.
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