: Moschee mit Jesuskind
INTERRELIGIOSITÄT Die Missionare hätten mit den Zähnen geknirscht, aber eine peruanische Dorfszenen-Krippe war immer noch besser als gar keine Bekehrung: Eine Lübecker Ausstellung zeigt die Aneignung von Weihnachtsriten weltweit – und die wundersame Vermengung jüdischer, muslimischer und christlicher Bräuche
VON PETRA SCHELLEN
Vermutlich hätten die Missionare es nur zähneknirschend ertragen: dass der Jesus da nackt und bäuchlings zwischen den Urwaldtieren liegt. Aber immerhin, der Affe nebenan hat Bananen gebracht, ein Tukan zählt auch zu den Gratulanten, und da hinten, auf dem zweiten Floß, haben die Shipibo-Frauen die für das peruanische Indianervolk typischen geometrisch verzierten Krüge dabei.
„Urwaldkrippe“ heißt das Prunkstück der Ausstellung „Was macht das Zebra an der Krippe? Weihnachten weltweit“ im Lübecker St.-Annen-Museum, und man kann den Urwald förmlich hören – und die Freude der Natur über die Geburt des Jesuskindes. Es ist eine quasi-theatrale Installation, einem Riesen-Diorama gleich, und dass sie so gar nicht verkrampft ehrfürchtig daherkommt, macht sie sympathisch.
Aber vielleicht ist das auch nur der Blick des adventsmüden Europäers, der sich mal über was Handfestes freut. Andererseits gibt es natürlich auch brav christliche Krippen in der Schau – aber welches der „Prototypus“ ist, lässt sich schwer ergründen. Fest steht, dass Weihnachten im Jahr 813 in Deutschland kirchlicher Feiertag wurde. Und dass Krippen bis heute oft handgemacht sind und dass sie vom 16. Jahrhundert an nach Amerika, Afrika und Ostasien kamen.
Durch wen? Durch Missionare, und dass die Lübecker Schau das nur am Rande vermerkt, macht ein bisschen missmutig. Denn bis ins 20. Jahrhundert hinein haben die missionierten Völker die Krippe wohl nicht adaptiert, sonst hätte es nicht bis Mitte der 1960er-Jahre ausschließlich europäische Importmodelle gegeben.
Danach allerdings entwickelten sich Krippen mit Lokalkolorit, und von ihnen sind in Lübeck viele zu sehen: philippinische Schilf- und afrikanische Holzkrippen, oft mit reichlich Dorfszenen und überhaupt Lokalkolorit drum herum. Vielleicht war es eine Art Ruhigstellung der Missionare. Zugleich eine verhaltene Aneignung, und von dieser kulturellen Integration der Weihnachtskrippe und anderer ritueller Requisiten in aller Welt handelt die Ausstellung im St.-Annen-Museum.
Und dann wird sie sogar ein bisschen politisch, wenn zwischen verschiedenen Weihnachtsmann-Varianten plötzlich Väterchen Frost steht. Er ist quasi ein Weihnachtsmann in Weiß, und das liegt daran, dass die Machthaber der Ex-Sowjetunion die Weihnachtsbräuche der russisch-orthodoxen Kirche verboten, einen Gabenbringer aber gestatteten. Pro Forma aber erst an Silvester, und er hieß dann eben Väterchen Frost. Warum allerdings in Italien die Hexe Befana, die knapp die Geburt Christi verpasst hat, als Gabenbringerin fungiert, weiß niemand so genau; politische Gründe hatte es vermutlich aber nicht.
Und so mäandert die Ausstellung munter durch Varianten lokaler und globaler Weihnachtsbräuche, präsentiert auch einen Riesenbaum mit Weihnachtsmann-Kugeln aus Lauscha, und da ist dann der deutsche Handy-Weihnachtsmann und der australische im Tauchanzug; in Großbritannien kommt er gar durch den Kamin.
Doch damit nicht genug: Man will auch interreligiös sein, denn die Mischung verschiedener Kulte ist ja auch Teil der „Weihnachtsaneignung“, und deshalb hat man auch Chanukka-Leuchter hingestellt. Das ist auch richtig so, entstand das jüdische Lichterfest doch vor dem christlichen. Trotzdem haben die Juden später die weihnachtliche Bescherung übernommen, und in den USA mischt sich gar noch mehr: Da kann eine jüdische Kippa einen roten Weihnachtsmann-Bommel haben und ein Chanukka-Leuchter die New-York-Skyline oder israelische Armee-Soldaten zeigen.
Um aber vollends politisch korrekt zu sein, hat man auch das Kwanzee-Fest hineingenommen. Die an westafrikanische Erntefeste erinnernde Feier dauert vom 26. Dezember bis zum 1. Januar und wurde 1966 für die Afroamerikaner in den USA erfunden. „Können wir nicht alle Freunde sein?“ sagen drei Kuschelfiguren namens Schlomo Hanukkah, Santa Claus und Kwanzaa Guy.
Ja, warum eigentlich nicht? Wo die Kinder es doch längst können und eifrige Ritualmixer sind. Vor Jahren haben Kuratoren des Altonaer Museums herausgefunden, dass etliche muslimische Hamburger Familien durchaus einen Weihnachtsbaum haben, weil die Kinder es so wollten. Nur recht und billig also, dass es auch einen Ramadan-Kalender gibt, der einem Adventskalender verdächtig ähnelt.
Tolerante Interreligiosität als Resultat von Migration: Sie ist auch in dieser Lübecker Ausstellung zu finden, wo eine riesige, über 35 Jahre von hin- und herreisenden Moslems gebaute Krippe steht: „Berlin – Istanbul 1966 bis 2000“ steht drüber, und eigentlich ist sie ein arabisches Dorf mit Moschee. Aber für eine Krippe und die Heiligen Drei Könige ist schon noch Platz. Eine Parabel auf die Überflüssigkeit religiöser Abgrenzung, im Miniaturformat schon real.
Ausstellung „Was macht das Zebra an der Krippe? – Weihnachten weltweit“: bis 2. 2. 2014, Lübeck, St.-Annen-Museum