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Archiv-Artikel

Mord!

Der „Tatort“ der ARD, immer wieder sonntags, ist die erfolgreichste Krimiserie im deutschen Fernsehen. Die erste Folge, Taxi nach Leipzig, wurde im November 1970 ausgestrahlt. In der Rolle des Kommissars Trimmel war Walter Richter zu sehen. Über fünfhundert Folgen später ist der damit älteste TV-Krimi hierzulande nach der „Tagesschau“ Pflichtprogramm – für durchschnittlich 7,46 Millionen Zuschauer (2001).

Insgesamt 68 Kommissare, Schnüffler und Ermittlerteams suchten bis heute nach Spuren am Tatort: mit 41 Fällen waren das Team Stoever/Brockmüller (Manfred Krug/Charles Brauer) besonders oft im Einsatz. Hauptkommissare Batic und Leitmayr (Miroslav Nemec mit Udo Wachtveitl) waren für den BR bereits 31-mal auf der Jagd nach bösen Buben. Schimanski und Thanner liegen auf der öffentlich-rechtlichen Kriminalstatistik mit 29 Ermittlungen auf Platz drei.

Quotenerfolge waren „Tod vor Scharhörn“ (2001), der letzte Einsatz von Stoever und Brockmüller mit 9,49 Millionen Zuschauern, sowie „Bestien“ (2001, 9,28 Millionen) und der neue Jan Casstorff alias Robert Atzorn (2001, 9,23 Millionen).

Zu Flops gerieten nicht nur einzelne Folgen, auch ganze Staffeln brachten Quotentiefs: 1996 stellte der SFB sein neues „Tatort“-Team mit Winfried Glatzeder als Kommissar vor. Kritik hagelte es vor allen Dingen für den Einsatz einer Homevideocam und daraus resultierende Seifenoper-Ästhetik. Auch der Inhalt konnte nicht überzeugen: zu sexistisch, zu brutal, zu viele Tote.

Nur vier Folgen gibt es, die nach ihrer Erstaustrahlung in den Giftschrank wanderten. Der Fall Geisterbahn (1972): Den HR-„Tatort“ produzierte die Firma Horst Film Berlin. Kurz nach der Erstausstrahlung meldete sie Konkurs an. Die Lizenzrechte sind bis heute offensichtlich ungeklärt. Drei Schlingen (1977): eine WDR-Produktion, die aufgrund zu brutaler Szenen im Archiv lagerte. Erst 1999 gab es eine Wiederholung des Würgekrimis. Der gelbe Unterrock (1980): „Tatort“ ist geprüfte Qualität. Der SWF fand diese Folge derart schlecht, dass sie nie wieder ausgestrahlt wurde. Ein Politikum wurde Mit nackten Füßen (1980), ebenfalls vom HR, von Drehbuchautor Karl-Heinz Willschrei. Ein Nebensatz über Epileptiker, die angeblich überdurchschnittlich gewaltbereit seien, wurde zu einem kleinen Skandal. ARD/ZDF-Autor Willschrei baute in eine Zeugenbefragung Hinweise auf das Konkurrenzprodukt „Ein Fall für zwei“ ein – auch das sorgte für Missstimmung.

„Tatort“ ist ein Classic. Wie das selige Mitsummen der „Lindenstraßen“-Melodie gehört der Tatortvorspann zur Sonntagabendstimmung. Das Fadenkreuz, die schlupflidrigen Augen, Beine auf nassem Asphalt – bereits in der ersten Folge waren sie zu sehen. Bis heute leiht Horst Lettenmayer dem Krimi im Ersten wesentliche Körperteile. „Die suchen da zwei Augen“, hieß es 1970. Viel weiter konnte der Schauspieler seine „Tatort“-Karriere auch nicht ausbauen. Als Gewerkschaftschef ist er in „Der Pott“ mit Schimanski zu sehen. Als Stimme des Ameisenoffiziers in Biene Maja war er zu hören. Einmalig vierhundert Mark erhielt Lettenmayer für seinen „Tatort“-Augen-Einsatz – dagegen hat er mehrmals protestiert und geklagt – vergebens. Geld verdient er heute mit Lampendesign.

Zum Weiterlesen: Eike Wenzel: „Ermittlungen in Sachen Tatort: Recherchen und Verhöre, Protokolle und Beweisfotos“. Dieter Bertz Verlag, Berlin 2000, 300 Seiten, 15,90 Euro. HEIKE SCHMITT