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Mord und Gesetzgebung

■ Ein fragwürdiger Vorstoß des Verfassungsschutzes

Mord und Gesetzgebung Ein fragwürdiger Vorstoß des Verfassungsschutzes

Es konnte nicht überraschen, daß nach der Ermordung des Treuhandchefs Rohwedder nun der Wunsch akut wird, die Stasi-Akten einzusehen. Natürlich ist der Hinweis der Verfassungsschützer zur Stasi-RAF-Verbindung ernstzunehmen. Und die Vermutung, daß in der allwissenden MfS-Behörde mehr Spuren zu finden sind, als man jetzt am Tatort entdecken konnte, leuchtet ein. Alle diese Gründe, die auch Christian Lochte anführt, sind plausibel. Sie sind jedoch weit davon entfernt, zwingend zu sein. Es hinterläßt einen schlechten Geschmack von Eigeninteresse, wenn sich die Verfassungsschützer so prompt nach dem Mord in Düsseldorf an die Öffentlichkeit wenden, um dem Objekt ihrer Begierde näher zu kommen. Ihre Motive machen mißtrauisch, weil sie mit Hypothesen allgemeiner Plausibilität, und nicht mit konkreten Begründungen arbeiten. Nach den jüngsten Enthüllungen über der Zusammenarbeit zwischen Stasi und RAF hat alle Welt erschrocken feststellen müssen, daß alles möglich ist, was bisher undenkbar war. Aber wenn Verfassungsschützer nun neue gesetzliche Möglichkeiten verlangen, dann steigt der Verdacht auf, daß nun auch gesetzgeberisch möglich sein soll, was undenkbar war.

Der große dunkle Schatten der Stasi darf nicht zur Vemehrung der Grauzonen führen. Selbst wenn der Verfassungsschutz ein Einsichtsrecht von Stasi-Akten nur unter Kontrolle der Gauck-Behörde verlangt, ist der Weg vom Usus zum Abusus nicht allzu lang.

Das bislang noch ausstehende Stasi-Akten-Gesetz überschreitet bei weitem alle direkten gesetzgeberischen Interessen der Strafverfolgung und Terrorismus-Aufklärung. Es ist ein politisches Gesetz von größter politischer Tragweite. Es geht um nichts weniger als um die rechtsstaatliche Beendigung einer totalitären Behörde. Alle anderen Interessen müßten der rechtsstaatlichen Sensibilität unterworfen sein. Der gesetzliche Grundsatz, daß kein Geheimdienst, mit welch guten Gründen auch immer, die Arbeit der Stasi beerben darf, muß festgeschrieben werden. Die Opfer müssen privilegiert werden. Ihr Recht auf Einsichtnahme muß extensiv sein. Dabei muß auch berücksichtigt werden, daß es oft genug Stasi-Opfer gab, die in eine Täter-Rolle gepreßt wurden. Alle Strafverfolgungs- und Aufklärungsinteressen müssen sich dem unterordnen und exakten Ausnahmeregelungen unterworfen werden. Politisch fatal und unwürdig wäre es überdies, wenn die Akteneinsicht ohne eine Wiedergutmachungslösung gesetzlich geregelt würde. Die Hast nach dem Mord an Rohwedder läßt befürchten, daß mit dem Stasi-Akten- Gesetz andere Dinge den Vorrang erhalten als der rechtsstaatliche Abschluß der Ära Stasi. Klaus Hartung

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