Mord im Modell-Express

■ Gert Steinheimers schwarze Komödie „Liebe, Tod und Eisenbahn“ (ZDF, 19.30 Uhr)

Die Liebe zur Eisenbahn, zumal ihrer Miniatur, ist wie die Liebe zu Gott: zölibatär. Das hat die Ehefrau eines passionierten Eisenbahnbastlers kapiert, als sie ihrem Mann die Leidenschaft ein für allemal verbot. Doch als der sympathische Yuppie Raimund (Heiner Lauterbach) und seine Frau (Christina Scholz) nebenan einziehen, sieht der Modelleisenbahnschaffner a.A. in Raimund einen potentiellen Bündnispartner. Während die Damen ahnungslos ins Kennenlernkaffeekränzchen vertieft sind, entführt er Raimund heimlich ins eheliche Schlafzimer, wo sich hinter dem wegklappbaren Haussegen ein Geheimschalter verbirgt. Wie bei James Bond senkt sich per Knopfdruck eine geheime Modelleisenbahn von der Decke herab, die der von Eisenbahn -Apartheit geknechtete Bastler im Geheimen während eines Krankenhausaufenthalts seiner Frau in nur zehn Tagen konstruiert hat. Mit Ungeduld erwartet der filigrane Techniker ihre bevorstehende Gallenoperation...

Die rituelle Initiation zeigt nachhaltige Wirkungen. Begnete die mäßig emanzipierte Haus- und Ehefrau Karin dem neuen Hobby ihres Mannes zunächst mit anerzogener Toleranz, so versucht sie später, nach dem Rat einer bigotten Fernsehpädagogin, das raumgreifende Steckenpferd mit demonstrativer Begeisterung zu unterlaufen. Wenn jedoch der Veteran von nebenan anerkennend prüfend die Gleisführung Raimunds inspiziert, muß die flugs zur Expertin avancierte Karin enttäuscht feststellen, daß ihr selbst mit einschlägigen Fachkenntnissen, die sie eilfertig wie bei der mündlichen Abiturprüfung herunterzubeten weiß, die Tür zum Miniaturkosmos ihres Mannes versperrt bleibt. Wenn das feine Rauschen der Züge das Wohnzimmer erfüllt, sind alle weiblichen Reize schal wie kalte Pommes-frites. Als selbst die Eifersuchtsmasche über den mustergültigen Studienrat Krieger (großartig: Jürgen Holz) fehlschlägt, reift ein fürchterlicher Plan in ihrem Kopf. Der Ikea-Klappstuhl am Steuerpult wird zum elektrischen Stuhl umgebaut, die Leiche Raimunds ins Miniaturgebirge eingegipst... (Die interessante Pointe wird nicht verraten.).

Regisseur Gert Steinheimer, der für seine SWF-Serie Atlantis darf nicht sterben 1989 den Grimme-Preis erhielt, hat mit den spartanischen ausstatterischen Mitteln der Fernsehproduktion eine präzise und liebevoll inszenierte Groteske gedreht. Solange es möglich ist, zur besten Sendezeit im ZDF einen Film zu zeigen, indem so eine Frau mit der Kreiß-Säge auf ihren Mann zugeht, kann man davon ausgehen, daß die Ästhetik der Medienlandschaft noch nicht vollends gleichgeschaltet ist.

Manfred Riepe