piwik no script img

Mord an Regierungskritiker in Sri Lanka"Zu wenig patriotisch"

Seit Jahren bekämpft die Regierung in Colombo kritische Journalisten. Lasantha Wickrematunge war einer von ihnen - jetzt wurde er ermordet.

Pressefreiheit ade: Präsident Mahinda Rajapaksa bekämpft Journalisten wie Rebellen. Bild: ap

Während die Regierung und Armee von Sri Lanka jede Woche neue militärische Erfolge über die tamilischen Separatisten der LTTE melden, kommt die unabhängige Presse immer stärker unter Druck. Die Ermordung des prominenten Zeitungsherausgebers Lasantha Wickrematunge, 50, am vergangenen Donnerstag versetzte die Medien des Landes in einen Schockzustand.

Wickrematunge war mehr als ein bekannter Journalist. Er hatte sich als geradezu besessener Kämpfer gegen Korruption und politische Borniertheit einen Namen gemacht. Als Tribüne diente ihm die Sonntagszeitung "The Sunday Leader", die er 1994 gemeinsam mit seinem Bruder Lal gegründet hatte. Noch am Dienstag hatte er im Fernsehen die Regierung vehement attackiert. Er warf ihr vor, einen Brandanschlag auf den unabhängigen Fernsehkanal Maharajah TV (MTV) provoziert zu haben. Nachdem Regierungssprecher MTV vorgeworfen hatten "zu wenig patriotisch" über den Fall der LTTE-Hochburg Kilinochchi berichtet zu haben, drangen 20 Schläger nächtens in die Studios ein, zertrümmerten Geräte und Anlagen und legten schließlich Feuer.

MTV hatte sich, ähnlich wie Wickrematunge, für eine politische Lösung des ethnischen Konflikts stark gemacht. Eine Position, die unter den nationalistisch aufgeheizten Medien die Ausnahme bildete. Seit 1983 tobt in Sri Lanka ein Konflikt zwischen der singhalesischen Regierung und der tamilischen Minderheit. Er hat mindestens 70.000 Opfer gefordert. Ein Waffenstillstand mit der LTTE wurde vor einem Jahr von der Regierung aufgekündigt.

Medienaktivist Sunanda Deshapriya, der sich als Kämpfer für Pressefreiheit einen Namen gemacht hat, glaubt nicht, dass, der Mord an Wickrematunge von "irgendwelchen Irren" verübt wurde: "Das ist Teil der anhaltenden Medienunterdrückung". Das Signal sei ganz klar: "Es heißt, wenn man einen Journalisten tötet, bringt man hundert zum Schweigen. Wenn man jemanden wie Lasantha umbringt, tötet man viele tausend."

Wickrematunge hatte schon frühere Anschläge überlebt. Vor zehn Jahren wurde sein Haus mit Panzerrohren beschossen. Auftragsvandalen verwüsteten letztes Jahr die Redaktion des Sunday Leader. Seine Ermordung war sorgfältig inszeniert. Er wurde von acht Männern auf vier schwarzen Motorrädern verfolgt und unweit seiner Redaktion in einem Vorort der Hauptstadt Colombo in seinem Auto regelrecht exekutiert. Die Killer hatten kein Problem, aus einer Hochsicherheitszone in unmittelbarer Nähe der Luftwaffenbasis zu entkommen. Präsident Mahinda Rajapakses Versprechen, eine unabhängige Untersuchung zu veranlassen, wird daher von vielen als zynisch gesehen.

Seit Rajapakse Ende 2005 die Regierung übernahm, werden die Spielräume für unabhängige Medien enger. Zu den Kriegsfronten haben Reporter schon lange keinen Zugang mehr. Letztes Jahr wurde ein Gesetz erlassen, das die Schließung unbotmäßiger Radios und Fernsehkanäle erlaubt. Drei tamilische Journalisten wurden wegen ihrer Berichterstattung als Terroristen angeklagt und sitzen seit März in Haft. Reporter ohne Grenzen listete Sri Lanka vergangenen Oktober an 165. Stelle von 173 untersuchten Ländern, was die Pressefreiheit betrifft.

In den letzten drei Jahren wurden jeweils über hundert Zwischenfälle registriert: Überfälle auf Journalisten, Schließung von Medien, Drohungen. Besonders die hetzerische Sprache von Abgeordneten und Kabinettsmitgliedern gegen Medienvertreter wird von Reporter ohne Grenzen mit Sorge beobachtet.

In seinen Kommentaren hatte Lasantha Wickrematunge meist erstaunliches Insiderwissen über Kabinettssitzungen verraten und Politiker bloßgestellt. Seine Feder war gefürchtet. Mangala Samaraweera, ehemaliger Medien- und Außenminister, der vor zwei Jahren von Rajapakse entlassen wurde, erklärte gegenüber The Sunday Leader, er fühle sich als ehemaliges Regierungsmitglied mit schuldig. Für ihn gibt es keinen Zweifel, dass die Regierung den Mord in Auftrag gegeben habe, "weil sie die Kritik Lasantha Wickrematunges nicht ertragen hat".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • R
    Ram

    Ein großes Lob an die TAZ! Wenigstens gibt es EINE kritische Sichtweise in der Berichterstattung über die Lage in Sri Lanka, während andere Medien in Europa und vor allem in Deutschland die Meldungen der Regierung wortwörtlich übernehmen und hier publizieren (geschweige denn, es wird überhaupt irgendeine berichterstattung über Sri Lanka gezeigt!!).

  • G
    GAS

    Vielen Dank Herr Leonhard!

     

    Während "große" Medien wie Spiegel und Co. stupide die Regierungsmeldungen 1:1 übernehmen, "leistet" sich die TAZ tiefer in Materie einzutauchen.

     

    Nochmals vielen Dank!

  • JT
    Janahan T.

    Ein Hoch auf die taz! Zitat:"Seit 1983 tobt in Sri Lanka ein Konflikt zwischen der singhalesischen Regierung und der tamilischen Minderheit"

    Eine ziemlich couragierte Sicht habt Ihr! Da sollen sich einige mal ein Beispiel von der taz nehmen!

    Denn viele im Westen neigen dazu zu sagen, dass dieser Krieg, ein Krieg zwischen Regierung und den Rebellen der LTTE sein. Nein - genau das ist es nicht!

    Das ist ein Konflikt zwischen Regierung und der unterdrückten tamilischen. Aber mittlerweile sieht diese Welt, dass es nicht nur gegen die Minderheit sondern gegen Demokratie, Freiheit und Menschenrechte ist.