: Moralische Mitschuld
betr.: „Ex-Kito Chef Hößelbarth tot“, taz bremen vom 16. 10. 04
Ich bin traurig und zugleich sehr aufgebracht über den Tod von Klaus Hößelbarth, den ich seit langen Jahren kannte: Gut zehn Jahre lang hatte er das KITO als künstlerischer Leiter und Geschäftsführer als Spielort mit vielseitigem Programm profiliert, bevor er sein Lebenswerk aufgeben musste. Politische Intrigen hatten Hößelbarth seinerzeit zum Sündenbock für ein finanzielles Defizit erklärt, das in Wirklichkeit primär der KITO-Förderverein zu verantworten hatte. Insider wissen hierzu um schmutzige Details, die niemals an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Nach seinem Hinauswurf waren für Klaus Hößelbarth schon die Streitigkeiten im Nachfeld zermürbend. Sie endeten laut seiner persönlichen Auskunft mir gegenüber mit seiner Rehabilitation und im rechtlichen Vergleich; demnach durfte der KITO-Verein unter anderem nicht weiter öffentlich behaupten, Hößelbarth sei für das Defizit verantwortlich gewesen. (Die Profilierungssucht gewisser Entscheidungsträger wirkt sich übrigens bis heute verhängnisvoll aus – davon zeugen beispielsweise die Affairen um den insolventen Kulturbahnhof oder das Bürgerhaus Vegesack.)
Tragischerweise ist Klaus Hößelbarth mit allen Versuchen, eine neue Existenz für sich aufzubauen, gescheitert; er sah keinen anderen Weg mehr als den Freitod. Verschiedene Strippenzieher bremischer Kultur und Politik sollten sich jedoch aufgrund der damaligen Ereignisse fragen, ob sie daran nicht zumindest moralisch eine Mitschuld tragen. Anstelle einer Würdigung seiner unbestreitbaren Verdienste war sein Tod den lokalen Medien am vergangenen Wochenende lediglich eine lapidare Meldung wert. Ein typisches bremisches Trauerspiel. Doch welch’ ein Armutszeugnis!
BENJAMIN-GUNNAR COHRS, Bremen