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Montagsinterview"Berlin muss heller werden"

Schon Andreas Boehlkes Opa beleuchtete Kaffeeröstereien und Messestände. Sein Enkel indes will ganz Berlin zum Leuchten bringen.

Die Weihnachtsbeleuchtung Unter den Linden geht auf Boehlkes Konto Bild: Reuters
Nina Apin
Nina Apin
Interview von Nina Apin und Nina Apin

taz: Herr Boehlke, Sie beleuchten Straßenzüge, Geschäfte, Museen und Messestände. Dazu veranstalten Sie jetzt wieder das Illuminationsspektakel "Festival of Lights". Ist Ihnen Berlin zu dunkel?

Andreas Boehlke

Andreas Boehlke: Berlin muss heller werden, es gibt noch zu viele düstere Ecken. Wo es hell ist, fühlen die Menschen sich sicherer. Außerdem sollten wir die schönen Dinge, die wir in der Stadt haben, in Szene setzen. Das Bode-Museum zum Beispiel ist ein Juwel. Doch nur der Sockel wird blau angestrahlt, der Rest liegt im Dunkeln.

Was schlagen Sie vor?

Viel mehr Licht, vielleicht auch eine zweite Farbe. So könnte man tolle Reflexionen aufs Wasser zaubern.

Aber Berlin ist doch nicht Las Vegas.

Es geht mir nicht darum, Berlin mit vielfarbigem und flackerndem Licht zu übergießen. Kitsch hat die Stadt nicht verdient. Aber die Grundhelligkeit muss stärker werden. Schöne Plätze und Gebäude sollten ins Licht.

Aber muss es unbedingt ein blauer Fernsehturm sein, wie letztes Jahr beim Festival of Lights?

Das Blau war nur eine temporäre Spielerei, im Alltag wäre so eine Farbe viel zu auffällig. Aber Licht ist nicht nur nützlich, es ist auch ein tolles Medium.

Seit 25 Jahren spielen Sie mit Licht. Was war Ihr Schlüsselerlebnis - eine Weihnachtslichterkette?

Eine Niedervoltlampe. Das sind diese Lämpchen an Stahlseilen, die in den Achtzigern aufkamen. Mir eröffnete diese Lampe damals ganz neue Möglichkeiten für Experimente. Die Hans Boehlke Elektroinstallationen GmbH existiert seit 1946. Schon mein Großvater beleuchtete neben der Elektroinstallation Messestände und Kaffeeläden. Aber damals gab es nur einfache Formen der Beleuchtung. Mich faszinieren Errungenschaften wie Entladungslampen, Lasertechnik und LEDs.

Sie haben nebenher noch eine Firma für Lichtdesign gegründet. Ist Lichtkunst Ihre eigentliche Passion?

Kreativität ist mir wichtig. Aber egal ob ich einen Messestand beleuchte oder einen Lichtbrunnen baue, meine Basis ist solide. Ich bin gelernter Strippenzieher wie mein Großvater. Ich weiß, wo der Strom herkommt und wie man was anschließen muss, damit es funktioniert. Ob das dann im Ergebnis Handwerk ist oder Kunst, sollen andere beurteilen.

Mal ehrlich: Wären Sie nicht lieber Künstler, als Messestände zu beleuchten?

Messedesign bedeutet heute doch nicht mehr, einen Einbaustrahler und eine Stehlampe hinzustellen. Wir haben zum Beispiel mal einen riesigen, farbig beleuchteten Ring in eine Halle gesetzt, mit LEDs als Textbausteinen. Das war genauso kreativ wie die Weihnachtsbeleuchtung am Kudamm. Die Motivation ist ohnehin die gleiche.

Das müssen Sie erklären

Es gibt verschiedene Arten von Beleuchtung: Eine technische für den Arbeitsplatz oder eine Sicherheitsbeleuchtung, damit man nachts die Straße sieht. Alles andere ist nicht notwendig, also kreativ. Aber ob Sie nun den Dom anstrahlen oder den Kudamm beleuchten: Es geht darum, die Kaufkraft zu fördern.

Sie haben beides beleuchtet, den Dom und den Kudamm. Klassisch und grell. Ist es eine psychologische Entscheidung, was zu welchem Objekt passt?

Eher eine Komposition. Alles muss in Einklang stehen. Am Anfang steht die Idee, die kommt aus dem Bauch: Ich mache eine Skizze, überlege mir Farben, die zum Stein passen, einen Effekt. Dann kommt Technisches wie die Lichtleistung: Der Strahl muss oben ankommen, darf aber nicht zu weit gehen. Ein zu grell beleuchtetes Gebäude sieht man nicht mehr.

War bei den bunten Rentieren am Kudamm also der Bauch im Spiel und bei der schlichten Dombeleuchtung der Kopf?

Die Beleuchtung muss zur Persönlichkeit des Objekts passen. Der Berliner Dom ist ein historisches Wahrzeichen mit Sandsteinfassade. Dazu passt warmes weißes Licht. Für die grünliche Kuppel habe ich kaltes Licht gewählt und die Figuren mit Spots angeleuchtet. Dadurch wirken sie plastischer. Die Beleuchtung entspricht der ehrwürdigen Ausstrahlung des Gebäudes.

Der Kudamm mit seinem vielen bunten Weihnachtsgeglitzer ist also nicht ehrwürdig?

Der Kudamm ist ein Boulevard mit viel Leben, der bunte Farben und auffällige Motive verträgt. Früher haben wir große Motive an die Bäume gehängt, mit Weihnachtsgrüßen in vielen Sprachen. Seit einigen Jahren setzen wir Lichtpunkte in die Bäume, damit sie fluffig wirken wie Wölkchen. Ohne dass man sieht, wie die einzelnen Lampen zusammenhängen.

Sie sind für die Weihnachtsbeleuchtung fast aller großen Straßen zuständig. Warum muss das immer so bunt sein?

In den Achtzigern gewann ich eine Ausschreibung für drei Jahre Weihnachtsbeleuchtung am Kudamm. Inzwischen beleuchte ich etwa 25 Straßenzüge: Gendarmenmarkt, Schlossstraße, Unter den Linden. Die meisten Menschen mögen übrigens das, was Sie als zu bunt empfinden. Gerade in der dunklen Jahreszeit wirken frische Farben belebend, sie vermitteln Lebensfreude.

Aber Unter den Linden geht es auch ohne viel Geglitzer

Unter den Linden ist ein Spezialfall: Eine breite Straße mit Bäumen links und rechts und Inseln in der Mitte. Äußerst strukturiert, daher habe ich dort beleuchtete Äste in warmem Weiß gewählt. Manchen gefällt das Schlichte ja auch besser. Letztlich ist Beleuchtung aber immer eine Geschmacksfrage.

Welche Beleuchtung gefällt Ihnen denn nicht?

Die rötliche Bestrahlung des Funkturms sollte dringend ausgetauscht werden. Für die kühle Konstruktion mit ihren Stahlrohren wäre ein kaltes Blau viel geeigneter. Ein Konzept hätte ich schon. Bisher kann ich meine Vorstellung nur temporär während des Festivals ausleben. Dieses Jahr wird sich das Licht dank regelbarer Leuchten am Funkturm bewegen: Vom Fuß her wird es pulsieren und dann in Wellenbewegungen nach oben schwellen. In einem richtig schönen, leuchtenden Blau.

Wie könnte Licht der Stadt helfen? Können Sie damit hässliche Ecken verschönen?

Natürlich ginge das. Durch die Projektion von Bildern oder Mustern kann man die totale Verfremdung einer schmucklosen Fassade erreichen. Oder man hebt an einem hässlichen Entlein ein paar schöne Details hervor, wie beim Schminken: Ein kleines Ornament in den Blick rücken, gezielt Ecken beleuchten. Und hässliche Winkel in den Schatten legen.

In welches Licht würden Sie denn am liebsten den Fernsehturm am Alexanderplatz, eines der Wahrzeichen der Stadt, tauchen?

Nicht in blaues, keine Sorge. Ich würde nur die Kugel heller beleuchten, damit das Metall schön glänzt. Optimieren würde ich vor allem den CO2-Verbrauch. Dafür habe ich auch schon ein Konzept erarbeitet.

Apropos Klimaschutz: Ist ein 12-tägiges Lichtfestival heute überhaupt noch vertretbar?

Fahren Sie in Urlaub? Essen Sie gerne?

Ja, aber

Der Mensch lebt nicht nur, um zu funktionieren. Ein bisschen Spaß am Leben braucht man doch auch, weihnachtliche Beleuchtung oder schön angestrahlte Gebäude. Wir achten natürlich darauf, Energie zu sparen. Wo wir können, arbeiten wir mit Energiesparlampen, bauen ständig auf die neueste Technik um. Die Sterne für den Weihnachtsmarkt am Gendarmenmarkt zum Beispiel bestehen aus energiesparenden Kompaktleuchtstofflampen.

Sind Energiesparlampen mit ihrem ungemütlichen Licht überhaupt zur Beleuchtung geeignet?

Die gibt es auch in Warmweiß. Inzwischen können Sie mit energiesparenden Techniken viele Effekte erreichen. Leider noch nicht alle: Leuchtdioden, kurz LED, haben leider noch oft einen Gelbstich, der nicht überall hingehört. Energie- und CO2-Sparen darf nicht auf Kosten der Wirkung gehen. Schließlich wollen wir mit der Weihnachts-, Fassaden- und Festivalbeleuchtung Leute nach Berlin holen. Daran hängen viele Arbeitsplätze.

Im Rahmen des Festival of Lights findet diesmal auch die Lange Nacht des Shoppings statt. Dient das Licht am Ende doch bloß der Konsumförderung?

Es hat sich diesmal ergeben, dass das Festival mit dem Beginn des Vorweihnachtsgeschäfts zusammenfällt. Davon haben alle etwas: Die Leute gehen gerne shoppen, wenn die Straßen und Gebäude schön beleuchtet sind. Und das Festival bekommt zahlungskräftige Sponsoren. Bisher habe ich viel aus eigener Tasche investiert, weil mir das Festival eine Herzensangelegenheit ist. Es macht mir Freude, zu sehen, wie die Berliner durch die Straßen gehen und sich am Glanz ihrer Stadt freuen. Aber es muss noch mehr werden.

Noch mehr Licht?

Vor allem mehr Ideen. Ich finde, es müsste überall in der Stadt kleine Lichtausstellungen geben, wo Lichtdesigner, Künstler und Planer Ideen für ihre Umgebung präsentieren. Ein Zweck des Festivals ist, den Kreis derer zu vergrößern, die an der Beleuchtung Berlins mitarbeiten. Schließlich will ich nicht allein die Stadt beleuchten.

An Weihnachten und zum Festival scheint es aber so. Machen Sie eigentlich nie Urlaub?

Ich mache seit 25 Jahren meine Arbeit mit Leib und Seele, sieben Tage die Woche. Neulich hat meine Frau für den ersten Urlaub seit fünf Jahren gesorgt. Sie hat einfach eine Schiffsreise gebucht. Es war schön auf dem Mittelmeer. Aber nach drei Tagen musste ich einfach wieder das Telefon einschalten, um zu hören, ob alles in Ordnung ist.

Sie haben gern alles unter Kontrolle, stimmts?

Ja. In anderen Firmen gibt es für das Kreative und die technische Umsetzung zwei Abteilungen. Ich bin beides in einem. Wenn ich mir etwas anschaue, rattert erst das technische Verständnis: Ist das machbar? Wo installiert man, damit die Konstruktion nicht zu sehen ist? Die Visualisierung passiert dann intuitiv. Da bin ich Bauchmensch.

Können Sie der Dunkelheit denn gar nichts abgewinnen?

Sie werden lachen: Morgens ist es mir grundsätzlich zu hell. Und eigentlich bevorzuge ich Kerzen, die machen das allerschönste Licht. Aber nachts ist Helligkeit doch einfach schöner und beruhigender. Nicht umsonst haben alle Kinder Angst im Dunkeln.

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