Montagsinterview TV-Moderator Friedrich Moll: "Ich möchte nicht schön sein"
Friedrich Moll, langjähriger Abendschau-Moderator, über seinen Rückzug aus dem Nachrichtenjournalismus, die Wirkung seiner weißen Haare und das seltsame Medium Fernsehen.
taz: Herr Moll, ein Interview wie dieses müsste Ihnen eigentlich widerstreben, denn Sie haben mal gesagt: "Ich präsentiere nicht mich, sondern die 'Abendschau'."
Friedrich Moll: Stimmt. Den Nimbus, den Fernsehmoderatoren haben, finde ich völlig überzogen. Ich habe mich immer als Transportarbeiter für Informationen verstanden. Es geht nicht um mich - auch wenn man in seine Moderationen natürlich immer viel Persönliches einbringt. Das kann und will ich auch gar nicht verhindern. Dadurch, wie Informationen präsentiert werden, bekommt jede Sendung ihre eigene Farbe. Doch letztlich ist Fernsehen Teamwork und der Moderator nur zufällig derjenige, den der Zuschauer zu Gesicht bekommt. Insofern halte ich öffentliche Debatten um neue "Tagesthemen"-Moderatoren für überzogen.
Aber die Kluft zwischen Ulrich Wickert und seinem Nachfolger Tom Buhrow ist doch nicht zu leugnen.
Der Mann war ein exzellenter USA-Korrespondent und hat es nun nicht leicht, weil er nicht so ein offensiver Selbstverkäufer ist wie Ulrich Wickert. Das finde ich eigentlich sehr sympathisch.
Aber Sie sind doch ein guter Selbstverkäufer, oder?
Wann? Wo?
Jeden Abend um halb acht im RBB.
Nö. Noch mal: Ich verkaufe die "Abendschau", nicht mich. Das versuche ich gut zu machen - so gut ichs halt kann.
Wie erklären Sie sich dann Etiketten wie "Mr. Abendschau" oder "Berlins Antwort auf Ulrich Wickert"? Ihre Persönlichkeit wirkt offenbar.
Wenn es so sein sollte, freut es mich. Doch das liegt, glaube ich, weniger an meiner Person als an bestimmten Mechanismen: Ich mache das schon fürchterlich lange - seit dem letzten Jahrtausend. Und die Zuschauer denken wohl, dass jemand, der die wichtigste Berliner Nachrichtensendung so lange präsentiert, gut sein muss. Und es liegt sicherlich auch daran, dass die "Abendschau" eine gute und spannende Sendung ist - auch wenn die taz immer was anderes schreibt.
Warum haben Sie dann aufgehört?
Ich wollte auf jeden Fall aufhören, bevor die Zuschauer denken, der Mann wird allmählich lästig oder peinlich. Das Bedauern, mit dem meine Entscheidung zur Kenntnis genommen wurde, hat mir gezeigt, dass es genau der richtige Zeitpunkt ist.
Aber Sie sind doch gerade mal 59.
Vorruhestand heißt in meinem Fall - und darauf lege ich Wert -, dass ich nun in die letzte Phase vor meinem Ruhestand eintrete. Ich will sicher nicht bis zum Ende meines Lebens Tauben füttern. Oder Tauben vergiften, was mir wohl eher liegt.
Sondern?
Man wird sehen.
Was?
Über ungelegte Eier soll man nicht gackern.
Aber Sie haben schon was im Kopf?
Ein bisschen was hab ich schon im Kopf.
Das steht außer Frage. Verzeihung! Haben Sie denn auch schon was Konkretes im Kopf?
Verschiedenes. Ein bisschen gründlicher und liebevoller an einem Thema arbeiten zu können als in einer aktuellen Nachrichtensendung wie der "Abendschau", reizt mich sehr.
Wie schwer fällt Ihnen der Abschied?
Er fällt schon etwas schwer. Aber wenn man diesen Job 17 Jahre gemacht hat, muss man auch mal loslassen können.
Glauben Sie, dass Sie Ihrem Nachfolger Sascha Hingst ganz unbefangen bei der Arbeit zuschauen können werden?
Ja, selbstverständlich. Ich bin mir sicher, dass der das prima macht. Ich habe ihn selber noch nicht im Fernsehen gesehen - aber er wird schon sorgfältig ausgewählt worden sein.
"Die 'Abendschau' ist unsterblich" haben Sie mal gesagt - obwohl oder weil sie immer ein bisschen provinziell und altmodisch wirkt?
Ich erinnere mich nicht daran, "unsterblich" gesagt zu haben. An die Unsterblichkeit glaube ich nicht, erst recht nicht im Fernsehen. Nun aber zum Vorwurf der Provinzialität: Ich glaube, dieser geläufigen Einschätzung liegt ein Missverständnis zugrunde, und zwar kein besonders intelligentes. Wenn eine beliebige Berliner Zeitung über die irrwitzige Verkehrsführung in Köpenick berichtet, käme niemand auf die Idee, diese Zeitung für provinziell zu halten. Denn die haben außerdem die große Politik, das vornehme Feuilleton und den wichtigen Wirtschaftsteil im Blatt. Die "Abendschau" entspricht dem Lokalteil. Ich habe immer offensiv gesagt, dass wir Provinzfernsehen machen. Das heißt aber weder, dass Berlin besonders provinziell ist, noch, dass unsere Art der Berichterstattung provinziell ist. Dass wir uns in der Tonlage spürbar von der taz unterscheiden, spricht nicht gegen uns, sondern nur dafür, dass wir unsere Klientel ernst nehmen.
Das Durchschnittsalter Ihrer Zuschauer liegt bei über 60
wie bei allen anderen Nachrichtensendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Das liegt schlicht daran, dass Informationssendungen junge Leute leider Gottes nicht vor den Fernseher ziehen. Aus der "Abendschau" eine Teeniesendung zu machen, wäre also blödsinnig. Selbst damit würde man keine jüngeren Zuschauer gewinnen, sondern nur die alten abschrecken. Trotzdem berichten wir auch über junge Themen: die Clubszene, Skaterbahnen und vieles mehr.
Als Sie Moderator der "Abendschau" wurden, haben konservative Blätter aufgeschrien. Sind Sie ein Linker?
Ich habe 1968 Abitur gemacht. Das bleibt nicht ohne Einfluss. Ich glaube, dass diese Jahre eine produktive Kultur des Infragestellens hervorgebracht haben - die inzwischen leider ein bisschen gelitten hat. Mit Sorge beobachte ich, wie unsere Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet. Irgendwann muss das mal knallen. Wer sich darüber Gedanken macht, gilt zwangsläufig als Linker. Wenn ich also deswegen für links gehalten werde, kann ich damit leben. Auch wenn ich mit derartigen Zuschreibungen meine Probleme habe.
Warum?
Immer diese Schubladen! Ich verstehe einfach nicht, warum man Leute zwanghaft irgendwo einsortieren muss.
Sind Sie Mitglied einer Partei?
Nein.
Haben Sie jemals drüber nachgedacht?
Nein. Ich hätte mal einen Job haben können, für den ich in eine Partei hätte eintreten müssen.
Friedrich Moll als Parteisprecher?
Ach, ist doch egal! Es gehört sich einfach nicht, als Journalist Mitglied einer Partei zu sein. Eine gesunde Distanz zu allen Parteien und anderen gesellschaftlichen Gruppierungen finde ich unerlässlich.
Vor rund zehn Jahren gab es ein regelrechtes Politikum darum, dass Sie während der Sendung keinen Knopf im Ohr tragen wollten. Sie hätten damals fast die Brocken hingeworfen - und es schien so, als wäre das einigen Kollegen durchaus recht gewesen.
Ich hatte meine Gründe, warum ich den Knopf im Ohr nicht so günstig fand. Doch als dieser Konflikt aufkam, hatte ich ihn auf Anordnung des damaligen Chefs schon zwei Monate lang brav getragen. Wir hatten dauernd Auseinandersetzungen. Zu diesem Konflikt kam es, weil er zwei Kollegen aufgefordert hatte, mich zu bespitzeln, herauszufinden, ob ich den Knopf auch wirklich trage. Einer hat es gemacht, die andere Kollegin ist zu mir gekommen und hat mir davon erzählt. Diese Bespitzelung hat mir klar gemacht, dass ich in einer solchen Atmosphäre nicht weiter moderieren möchte. Diesen Hintergrund habe ich bis zum heutigen Tag aus Loyalität dem Sender gegenüber nie erzählt.
Wann sind Sie ergraut?
Schon viel früher. Ich muss so Mitte 30 gewesen sein.
Welche Haarfarbe hatten Sie ursprünglich?
Wie meine Augenbrauen. Überwiegend dunkel.
Als Weißhaariger wird man anders wahrgenommen, oder?
Ich glaube, dass die Zuschauer mir unter anderem deswegen ihr Vertrauen geschenkt haben. Da kann man mal sehen, wie seltsam das Medium Fernsehen funktioniert. Man braucht nur die richtige Haarfarbe und den richtigen Anzug und schon wirkt man vertrauenswürdig.
Ihre sonore Stimme trägt sicherlich auch dazu bei.
Das kann ich nicht beurteilen.
Eine klassische Schönheit sind Sie allerdings nicht - Ihr Nachfolger schon eher. Sterben Charakterköpfe wie Sie im Fernsehen allmählich aus?
Zunächst mal ganz herzlichen Dank für dieses ausgesprochene Kompliment. Ich möchte nicht schön sein. Das finde ich eine schlimme Vorstellung.
Warum?
Weil man dann vermuten würde, dass ich den Job nur mache, weil ich schön bin. Ob mein Nachfolger besser aussieht und ob das bei der Auswahl eine Rolle gespielt hat, kann und will ich nicht beurteilen. Aber es stimmt schon, eine zunehmende Fixierung auf das Optische ist nicht zu leugnen. Das Fernsehen der 50er- und 60er-Jahre war bevölkert von lauter hässlichen alten Männern, Frauen spielten noch überhaupt keine Rolle - also auch die Optik nicht. Wenn man jedoch will, dass die Leute zuhören, muss man dafür sorgen, dass sie auch halbwegs gerne hingucken. Das ist Fernsehen. Ich finde es ausgesprochen vernünftig, dass mein Nachfolger erheblich jünger ist. Einen Tattergreis durch den nächsten zu ersetzen, wäre nicht besonders sinnvoll.
Was heißt Tattergreis? Sie sind immer noch jünger als der Durchschnitt Ihrer Zuschauer.
Stimmt. Noch.
Ich habe gelesen, dass Sie davon träumen, bis zum Lebensende Lehrling zu bleiben.
Ja, natürlich.
Das müssen Sie erklären.
Erstens bin ich weit davon entfernt, mich für einen Meister zu halten. Und zweitens würde alles andere Stillstand bedeuten.
Ist nicht der Status eines Grandseigneurs auch ein ganz komfortabler?
So habe ich mich nie gesehen. Und so möchte ich mich auch nicht sehen.
Aber Sie sind doch "Mr. Abendschau".
Aber weshalb? Durch den merkwürdigen Zufall, 17 Jahre lang diesen Job gemacht zu haben. Dadurch wird man doch keine moralische Instanz. Ich äußere hier nur meine privaten Überlegungen. Alles andere wäre nun wirklich eine maßlose Überschätzung meiner Person.
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