■ Radiodays: Montag
Über die hauchfeine Grenze zu räsonieren, die Genie und Wahnsinn trennt, ist fast immer ein gewagter Spagat. Mit einem bodenständigen Essay bemüht sich dennoch das Deutschlandradio Berlin um korrekte Aufklärung des geistigen Treibens der Kunst. Und weil die Sendezeit nicht ewig währt, reitet Petra Barsch bei ihrer Suche nach dem Sinn des Wahns in der Literatur im Schweinsgalopp durch die Jahrtausende. Was sah der listige Odysseus in der Verwirrung des Ajax? Wie setzt Virginia Woolf den traumatisierten Kriegsheimkehrer als Seher der zwanziger Jahre ein? Nicht als Kuriosum, oh nein! Denn geerdet werden die extremen Aperçus des verrückten Mr. Smith durch sein Alter ego, die Society-Dame Mrs. Dalloway. Erfrischend bissig griff auch Alfred Döblin in die Trickkiste der seelischen Verwirrung: gerade der verzerrte Blick eines Freiburger Spießers auf sein Verbrechen – die Ermordung einer Butterblume – entlarvt ihn und seine Zunft als gefährlich und lächerlich.
Philosophischen Halt sucht die Autorin der Sendung schließlich in den Schriften von Karl Jaspers, der den „Grund des Menschen ... unberührbar durch psychopathologisches Wissen und Erfahrung“ glaubte. Wenn das nicht enorm beruhigt! (0.05 Uhr)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen