Monopoly lebt

Nach 30 Jahren verifiziert Thatcher ein Gesellschaftsspiel  ■ N O C O M M E N T

Ab acht Jahren wird die Jugend der Republik mit dem Monopoly -Spiel in die Niederungen des westlichen Wirtschaftssystems eingeführt. Mit einer „Drei“ landet der erwartungsvolle Nachwuchs zum Beispiel auf der Turmstraße. Kaufen, kaufen, kaufen ist die Devise des Spiels. Ein wenig stutzig macht es zwar schon, daß hier nicht nur Häuser, sondern auch ganze Straßen privatwirtschaftlich verhökert werden. Immerhin handelt es sich doch dabei um öffentliche Verkehrsflächen. Aber insbesondere in jener Armeleutegegend um die Bad- und Turmstraße, wo die Spielunterlage quasi den Geruch von Obdachlosensiedlungen ausstößt, fragt keiner weiter nach. Hier müssen die Bewohner eben weichen und der Verkehr dann theoretisch auch - oder er muß berappen. Aber in der Turmstraße hat man sowieso keine Autos. Die Bank als monetarisierter Staat hat Straße samt Gewinn privatisiert.

Aber dann, die beiden Würfel zeigen eine „neun“ an: Wir stehen auf einem Wasserwerk. Auch kaufen, kaufen, kaufen? Wohl kaum. Das Wasserwerk ist statistisch gesehen auf dem Monopoly-Spielbrett eindeutig dasjenige Investitonsobjekt, das am längsten auf einen Investor wartet. Wer will hier behaupten, daß das nur an zu geringer Gewinnerwartung liege?

Die Abneigung ist vielmehr Zeichen davon, daß wir uns bis dato nicht vorstellen konnten, daß jemand das einzige Wasserwerk weit und breit aufkauft und dann für das lebensnotwendige Naß abzocken kann. Maggie Thatcher hat nun der Welt vorgeführt, daß das sehr wohl geht (taz von gestern). Nach rund dreißig Jahren hat sie dem Wirtschaftsredakteur gezeigt: Monopoly lebt!

Eine Schwachstelle sollte die Monopoly-Redaktion dennoch zügig bereinigen: Thatcher - und zuvor Reagan - haben uns eindrucksvoll vorgeführt, daß zur Privatisierung untrennbar auch die Deregulierung gehört. Es kann nicht angehen, daß hier bürokratische Spielregeln dem Wasserwerksbesitzer vorschreiben, wieviel er für sein Produkt verlangen darf. Die richtige Bereitschaft zur Investition ins Wasserwerk wird die Spielefirma Parker erst herbeiführen, wenn die Preise wie in Großbritannien freigegeben werden. Sollte ein Mitspieler nicht bereit sein, die geforderte Summe herauszurücken, so kann er ja immer noch umkehren, zwei Felder zurück z.B. zum Knast, der - noch - nicht privatisiert ist, oder nach der Devise: Gehen Sie zurück auf Los, und atmen Sie tief durch! Dies bleibt ihm schließlich noch: Die Luft hat Thatcher noch nicht privatisiert. Daß sie dies auch noch durchzieht, ist bislang nur die Idee des Kriminal-Vordenkers John Le Carre

Ulli Kulke