Mohammed Matar: Die gebrochene Stimme Gazas
Mohammed Matar ist gegen alles. Gegen Israel, die Hamas, die USA. Er hat eine Jugendbewegung gegründet und spricht vielen aus dem Herzen. Jetzt ist er verschwunden.
BERLIN taz | Fuck Israel, Fuck Hamas, Fuck Fatah! Fuck UN. Fuck USA! Wir, die Jugend aus dem Gazastreifen, haben Israel, die Hamas und die Besatzung satt!" Das sind die ersten Worte im politischen Manifest von Mohammed Matar, auch Abu Yazan genannt. Seine Bewegung "Gaza Youth Breaks Out" hat zehntausende Fans auf Facebook und viele Anhänger auf der Straße.
Doch wer gegen alles ist, macht sich auch viele Feinde. Besonders, wenn man wie der 25-jährige Literaturstudent in einem Flüchtlingslager aufwächst, wo es außer der Hamas kaum eine gültige Wahrheit gibt.
Doch Abu Yazan, den Freunde als aufgeschlossen und liberal beschreiben, hatte immer schon eine eigene Meinung. Offen kritisiert er das Regime der Hamas und deren Menschenrechtsverletzungen. Eine Einstellung, die ihm jetzt zum Verhängnis wurde.
Nach einer Reise nach Frankreich, wo er gemeinsam mit der Gaza-Aktivistin Ibba an einem Social Media Training teilnahm, wird er von der Hamas geächtet. Sie verhören ihn und nehmen ihm Laptop und Kamera ab. Doch als ihm die Hamas am vergangenen Sonntag sagte, dass er seine Sachen wieder abholen kann, tappt er in die Falle. Die Anschuldigung: Er sei mit Ibba in Frankreich gewesen, um für eine Volksbewegung Geld von Israel zu besorgen. Laut Medienberichten soll er am Dienstagabend, kurz nachdem international von seiner Verhaftung berichtet wurde, wieder freigelassen worden sein. Bestätigt ist das nicht.
Mit der Gründung der Bewegung "15. März" hat Abu Yazan schon vor fünf Monaten Tabus gebrochen. Wie viele im Gazastreifen schaute auch er gebannt auf die Bilder aus Tunesien und Ägypten. Mit Freunden diskutierte er über den Arabischen Frühling. Er beschloss, dass auch Palästina eine Revolution braucht. Auf seine Initiative entsteht eine Protestbewegung, die lautstark ein Ende der Spaltung zwischen der Hamas und der Fatah fordert.
Abu Yazan hat einen neuen Weg begründet. Durch ihn haben viele Jugendliche wieder ihre politische Stimme gefunden. "Wir wollen drei Dinge: frei sein, ein normales Leben und Frieden. Ist das zu viel verlangt?", schreibt er in seinem Manifest. Aber Abu Yazan wusste auch, dass eine wahre Revolution im Gazastreifen nicht möglich ist. Die Kontrolle der Hamas ist zu stark, das Regime zu gefährlich. Er hatte anscheinend recht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften