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Mohammed MatarDie gebrochene Stimme Gazas

Mohammed Matar ist gegen alles. Gegen Israel, die Hamas, die USA. Er hat eine Jugendbewegung gegründet und spricht vielen aus dem Herzen. Jetzt ist er verschwunden.

Abu Yazan (links) ist seit einigen Tagen spurlos verschwunden. Bild: Susanne Knaul

BERLIN taz | Fuck Israel, Fuck Hamas, Fuck Fatah! Fuck UN. Fuck USA! Wir, die Jugend aus dem Gazastreifen, haben Israel, die Hamas und die Besatzung satt!" Das sind die ersten Worte im politischen Manifest von Mohammed Matar, auch Abu Yazan genannt. Seine Bewegung "Gaza Youth Breaks Out" hat zehntausende Fans auf Facebook und viele Anhänger auf der Straße.

Doch wer gegen alles ist, macht sich auch viele Feinde. Besonders, wenn man wie der 25-jährige Literaturstudent in einem Flüchtlingslager aufwächst, wo es außer der Hamas kaum eine gültige Wahrheit gibt.

Doch Abu Yazan, den Freunde als aufgeschlossen und liberal beschreiben, hatte immer schon eine eigene Meinung. Offen kritisiert er das Regime der Hamas und deren Menschenrechtsverletzungen. Eine Einstellung, die ihm jetzt zum Verhängnis wurde.

Nach einer Reise nach Frankreich, wo er gemeinsam mit der Gaza-Aktivistin Ibba an einem Social Media Training teilnahm, wird er von der Hamas geächtet. Sie verhören ihn und nehmen ihm Laptop und Kamera ab. Doch als ihm die Hamas am vergangenen Sonntag sagte, dass er seine Sachen wieder abholen kann, tappt er in die Falle. Die Anschuldigung: Er sei mit Ibba in Frankreich gewesen, um für eine Volksbewegung Geld von Israel zu besorgen. Laut Medienberichten soll er am Dienstagabend, kurz nachdem international von seiner Verhaftung berichtet wurde, wieder freigelassen worden sein. Bestätigt ist das nicht.

Mit der Gründung der Bewegung "15. März" hat Abu Yazan schon vor fünf Monaten Tabus gebrochen. Wie viele im Gazastreifen schaute auch er gebannt auf die Bilder aus Tunesien und Ägypten. Mit Freunden diskutierte er über den Arabischen Frühling. Er beschloss, dass auch Palästina eine Revolution braucht. Auf seine Initiative entsteht eine Protestbewegung, die lautstark ein Ende der Spaltung zwischen der Hamas und der Fatah fordert.

Abu Yazan hat einen neuen Weg begründet. Durch ihn haben viele Jugendliche wieder ihre politische Stimme gefunden. "Wir wollen drei Dinge: frei sein, ein normales Leben und Frieden. Ist das zu viel verlangt?", schreibt er in seinem Manifest. Aber Abu Yazan wusste auch, dass eine wahre Revolution im Gazastreifen nicht möglich ist. Die Kontrolle der Hamas ist zu stark, das Regime zu gefährlich. Er hatte anscheinend recht.

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5 Kommentare

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  • E
    end.the.occupation

    Gut, dass sich Andreas Hackl für die Freilassung von Mohammed Matar einsetzt.

     

    Morgen hoffentlich für die Mitarbeiter und Schüler des 'Freedom Theatres' in Jenin - Bilal Saadi, Adnan Naghnaghiye und Rami Hwayel - die von der israelischen Armee entführt wurden.

     

    Bis heute warten wir auf ihre Freilassung, sie - die sie weder Zugang zu Anwälten haben - noch dass ihnen eine Anklage zugestellt worden wäre - in der einzigen 'Demokratie' des Nahen Ostens.

     

    Und - das sind nicht die einzigen Unglücklichen.

    Nicht zu vergessen Bassem Tamimi aus Nabi Saleh und ... und ... und ...

  • H
    Harald

    Liebe taz,

    mein sorgsam gepflegtes Weltbild bricht zusammen: "Wir, .... haben Israel, die Hamas und die Besatzung satt!"

     

    Es muss lauten: "Wir, ... haben Israel und die Besatzung satt."

     

    Alle Welt weiß doch, daß Israel 2005 die Hamas aus dem Gaza vertrieb und seither ein blutiges Besatzungsregime im Gaza führt.

     

    Die Bevölkerung hungert, täglich sterben Hunderte Kinder und dennoch hat Israel eine Versorgungsblockade über Gaza verhängt. (Oder verwechsele ich da was mit Somalia?)

     

    Zum Glück entlarvt ihr euch selbst, wenn Hackl unten schließt: " Aber Abu Yazan wusste auch, dass eine wahre Revolution im Gazastreifen nicht möglich ist. Die Kontrolle der Hamas ist zu stark, das Regime zu gefährlich."

     

    Wie kann die Hamas eine "Kontrolle" im Gaza ausüben, wenn doch alle Welt weiß, daß das Gebiet unter israelischer Besatzung steht?

  • A
    aleister

    also, wenns stimmt, was vor 21 Stunden in der online-Ausgabe der TaiwanNews rauskam, dann ist der Gute wieder freigelassen worden.

     

    Also: war verschwunden. Jetzt is er wieder da. Sehr erfreulich.

     

    Aber uptodate seid Ihr nicht...

  • B
    Boumedienne

    Also für Sie, Herr Hackl, ist der Entführer bereits gefunden: die Hamas. Sie sollten für die Polizei arbeiten, denn Sie scheinen Talent zu haben. Die Unschuldsvermutung gibt es bei Ihnen nicht. Es war die Hamas, weil er anti-Hamas war ? Warum kann es nicht Israel gewesen sein, da er ja auch offen anti-israelisch war ? Oder vielleicht die UN, oder die USA ? Aber ja, in unserer Gesellschaft geht alles schnell: kaufen, verkaufen, verurteilen....

  • T
    TheSnake69

    Gute Nachrichten: Abu Yazan wurde gestern nachmittag freigelassen, aber am Sonntag nochmals zur Befragung vorgeladen. Er befand sich im Gewahrsam des Innengeheimdienst.

    Siehe: https://twitter.com/#!/GazaYBO