Mönchengladbach - Karlsruher SC: Meyer haut die Borussia raus.
Mönchengladbach besiegt unter dem neuen Coach den KSC in einem krampfartigem Spiel 1:0.
MÖNCHENGLADBACH taz Dann hatte er sich auch noch erhoben, dieser mächtige Gegenentwurf an Gestalt und Ausstrahlung zu seinem schmächtigen Vorgänger Jos Luhukay. Hans Meyer, bald 66, Kulttrainer der Nation und neuer Coach der Borussia (und der frühere: 1999 bis 2003), stand auf dem Podest der Pressekonferenz und sah sich einem Frontalangriff von schräg unten ausgesetzt: Dutzende Radiomikrofone, distanzlos nah direkt vor seinem kantigen Schädel mit dem weichen Gesicht gereckt, mit bunten Aufschriften wie 100, irgendwas oder Welle Glücklicher Niederrhein - mit jungen, fordernd guckenden Gesichtern dahinter. Und diesen Fragen, den immer gleichen Fragen: Wie es komme …, ob er denn … und was er denn … und warum … Hans Meyer sagt kokett, er habe doch schon alles erklärt. Und für einen Moment sieht es so aus, als würde er gleich in das erstbeste Mikrofon vor seiner Nase hineinbeißen. Hans Meyer holt auch Luft, nimmt dabei die Matchstatistik und reicht sie einem Frager mit den Worten: "Hier, nehmen Sie das. Da steht alles drin." Der Beschenkte aber erklärt, den Zahlensalat könne er seinen Hörern doch nicht vorlesen. Das sah Hans Meyer ein. Und redete doch. Tut er schließlich gern.
Bor. Mönchengladbach: Gospodarek - Svärd, Kleine, Daems, Voigt - Alberman, Paauwe - Bradley (77. Coulibaly) - Matmour (85. Ndjeng), Friend, Marin (65. Neuville)
Karlsruher SC: Miller - Celozzi, Sebastian, Franz, Eichner - Mutzel (46. Aduobe), Porcello - Freis, da Silva (64. Timm), Iaschwili (79. Kapllani) - Kennedy
Schiedsrichter: Aytekin (Oberasbach) - Zuschauer: 42 051
Tor: 1:0 Paauwe (51.)
Gelbe Karten: Neuville (2), Friend (3) / -
Beste Spieler: Paauwe, Marin / Eichner, Iaschwili
Und gut sowieso. Also sprach Hans Meyer: "Wir haben gewonnen." Machte eine Kunstpause und fuhr fort: "Ich muss mich aber entschuldigen, dass das nicht so formvollendet war." Doch seine "unerfahrene Mannschaft" habe "toll gefightet - aber das kann man ja auch erwarten, oder?" Zufrieden mit der Rückkehr? "Wir haben nichts gewonnen. Das war viel Krampf, mit einer ganzen Menge Holperstellen und einer gehörigen Portion Glück." Und die Zuschauer, hätten die nicht toll geholfen? Statt sich wie alle anderen bei den Fans anzubiedern, sagt Meyer bei über 12.000 freien Plätzen nur: "Sehen Sie, kaum kommt der Meyer, bleiben alle weg." Saison-Minusrekord. Abstiegskandidat Borussia Mönchengladbach hatte eine bemitleidenswerte Vorstellung geboten. Nach der überraschenden Führung (51. Minute: hilfloser langer Ball, Kopfballablage Friend, glücklicher Direktschuss Paauwe) hatten die Meyerlinge sogar das Kontern verweigert. Immerhin: Tapfer schleppten sie neben dem ungelenken Rechtsverteidiger Svärd (der vierte im neunten Spiel auf dieser Position) auch den Fremdkörper Michael Bradley durch die Partie, den Meyer in altersmildem Großmut erst spät erlöste.
Die Karlsruher (12:3 Ecken) wussten bei ihren 17 verdaddelten Torschüssen erst nachher, wie es hätte gehen können: "Da muss man den Ball notfalls auch mal mit dem Geschlechtsteil über die Linie drücken", schimpfte Abwehrspieler Christian Eichner voller Verzweiflung.
Hans Meyer, der grantige Charmeur aus Jena, der alle um den Finger wickelt und seine Gegenüber im besten Fall in die Missverständnisfalle lockt, weil sie ihn nicht wörtlich genug nehmen ("Von Hause aus bin ich ja Kommunist!"), hatte alles Premierenglück der Welt. Während des Spiels gestikulierte Meyer ständig auf seinen Cotrainer Christian Ziege neben sich ein und zeigte hier- und dorthin. Das sah aus wie: Was ist das denn für einer? Wo habt ihr den her?
1999, noch in Liga 2, verlor Meyer sein erstes Spiel auf der Borussenbank daheim kläglich 1:2 gegen Neuling Alemannia Aachen. Danach sagte er: "Da sehen Sie, was der Trainerwechsel gebracht hat." Jetzt hört sein Team schon nach vier Trainingstagen erfolgreich auf den Heilsbringer. "Ich habe vorher gesagt", sagte Hans Meyer am Samstag , "wir müssen irgendwie gewinnen, wenn nötig mit einem Krampfspiel. Dabei hätte ich allerdings nicht gedacht … " - Kunstpause, damit auch alle aufpassen , "… dass meine Mannschaft das so wörtlich nimmt."
BERND MÜLLENDER
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