■ Möglichen Asyl-Erfolg in Karlsruhe nicht überbewerten: Ein Asylverfahren ist noch kein Asyl
Damals, vor dem „Asylkompromiß“ von Regierung und SPD-Opposition, da wurde noch heftig über Anerkennungsquoten und ihre Tücken gestritten. Heute stehen sie ganz im Schatten der Verfahrenstricks, mit denen das neue Asylrecht versucht, Flüchtlingen sogar ein faires Asylverfahren in der Bundesrepublik zu verwehren. Auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigte sich in den vergangenen zwei Wochen nur mit Fragen des Verfahrensrechts: Wie kann ein Flüchtling geltend machen, daß sein Heimatland zu Unrecht als „sicherer Herkunftsstaat“ eingestuft wird, weil das Auswärtige Amt einfach ein paar Todesurteile übersieht? Wie kann ein eben angekommener Flüchtling im Flughafenverfahren einen Anwalt finden, der ihm in drei Tagen eine Klage beim Verwaltungsgericht formuliert? Wie kann sich ein Flüchtling wehren, der in einen „sicheren Drittstaat“ verbracht werden soll, obwohl klar ist, daß ihm dort die Kettenabschiebung in seinen Verfolgerstaat droht?
Der Streit um das Asylrecht ist in den letzten Wochen auf einen Streit um das Recht auf ein Asylverfahren geschrumpft. Und gerade deshalb dürften die Verfassungsbeschwerden Erfolg haben. Denn das Karlsruher Gericht hat selbst allergrößtes Interesse, daß es nicht immer als Feuerwehr in letzter Minute herhalten muß – „wenn die Maschine schon auf der Rollbahn steht“. Zu offen sind auch die rechtsstaatswidrigen Schwächen des neuen Verfahrens zutage getreten. Und es sind keine „Übergangsprobleme“, wie die Bundesregierung glauben machen will, sondern strukturelle Mängel: Es wird bewußt in Kauf genommen, daß einzelne durch die Maschen fallen, damit die Verwaltungsmaschinerie läuft. Zwar sind bisher unerwartet viele doch noch aufgefangen worden, das heißt, sie haben immerhin ein Asylverfahren bekommen, doch verlassen kann sich hierauf niemand.
Und ein Asylverfahren ist noch kein Asyl. Dies wird spätestens dann wieder ins öffentliche Bewußtsein dringen, wenn das Verfassungsgericht wesentliche Teile des Asylkompromisses kippen sollte. Dann wird auch wieder darüber gestritten, ob kurdische Flüchtlinge tatsächlich eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Türkei besitzen und ob Frauen und JournalistInnen aus Algerien nicht Zuflucht vor dem islamistischen Terror finden müssen. Vor allem: Es muß auch wieder über Einwanderungsmöglichkeiten neben dem Asylverfahren geredet werden. Christian Rath
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