piwik no script img

Mögliche Strafaktion gegen SyrienNeuer Einigungsversuch der UNO

Erneuter Anlauf in New York: Die Veto-Mächte des UN-Sicherheitsrats beraten über ein Papier, das Luftschläge gegen Syrien erlauben würde.

UN-Inspekteure in Zamalka, östlich von Damasmus Bild: dpa

NEW YORK/WIEN/BEIRUT ap/dpa | In der Syrienkrise unternehmen die Vetomächte des UN-Sicherheitsrates noch einmal einen Einigungsversuch. Am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) wollten sich die Vertreter der USA, Russlands, Chinas, Großbritanniens und Frankreichs noch einmal in New York treffen, um über einen britischen Entwurf für eine Resolution zu beraten. Das Papier würde Luftschläge gegen Syrien erlauben, war bisher aber von Moskau und China blockiert worden.

Westliche Diplomaten bestätigten, dass das eilig einberufene Treffen um 14.30 Uhr (20.30 Uhr in Deutschland) beginnen sollte. Die selben Staaten hatten über den selben Entwurf schon am Mittwoch beraten. Er soll „alle notwendige Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten vor Chemiewaffen“ erlauben – auch Luftangriffe.

Eine Resolution braucht nicht nur neun Ja-Stimmen, es darf auch kein Nein der fünf ständigen Mitglieder dabei sein. Dreimal schon hatten Russland und China Syrien-Resolutionen mit ihrem Veto blockiert, teilweise gegen die geschlossen Ja-Stimmen der 13 anderen Staaten im Rat.

Damit bleibt die Entscheidung über einen westlichen Militärschlag gegen Syrien weiter in der Schwebe. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte die Weltgemeinschaft zuvor gebeten, den Abschluss der UN-Chemiewaffeninspektion in Damaskus am Samstag abzuwarten. Auch US-Präsident Barack Obama betonte, er habe noch nicht über einen Militäreinsatz gegen die Regierung von Baschar al-Assad entschieden. Doch zeigte sich Obama gewiss, dass Assad für den Chemiewaffenangriff mit Hunderten Toten vor einer Woche verantwortlich sei. Ein möglicher US-Vergeltungsschlag würde „ein starkes Signal“ aussenden, sagte Obama in einem Fernsehinterview.

Frankreich zeigt sich bereit

Frankreich erklärte, seine Streitkräfte seien für eine Intervention bereit. Assad gab sich ob der Drohgebärden des Westens unbeeindruckt. Sein Land werde sich „gegen jegliche Aggression“ verteidigen, sagte er laut der amtlichen Nachrichtenagentur Sana.

UN-Generalsekretär Ban mahnte Zurückhaltung an. Das Expertenteam um den Schweden Åke Sellström brauche Zeit, die Chemiewaffen-Inspektion abzuschließen. Ban zufolge wollen die Inspekteure ihre Arbeit am Freitag abschließen. Ihre Erkenntnisse würden sie dann dem UN-Sicherheitsrat sowie allen UN-Mitgliedsstaaten mitteilen. Zugleich drang Ban darauf, der Diplomatie eine Chance einzuräumen. „Es ist wichtig, dass alle Meinungsverschiedenheiten auf friedliche Weise und durch Dialog gelöst werden“, sagte er in Wien.

Reporter der Nachrichtenagentur AP sahen, wie die Inspekteure am Morgen ihr Hotel verließen und in sechs UN-Fahrzeugen in den von Rebellen gehaltenen Damaszener Vorort Samalka aufbrachen. Sie sammeln seit Montag am Ort der mutmaßlichen Giftgasangriffe gegen Zivilisten nahe Damaskus biologische Proben und sprechen mit Ärzten und Aktivisten.

Für den Fall einer militärischen Reaktion warben Obama und der britische Premierminister David Cameron daheim für Unterstützung. Obama wollte noch am Donnerstag mit Spitzenpolitiker im Repräsentantenhaus, Senat und in den Sicherheitsausschüssen der beiden Kammern eine Telefonkonferenz zu Syrien abhalten.

Einschätzung des Geheimdienstes

Cameron berief in London eine Sondersitzung des Unterhauses ein, um über einen möglichen Waffengang gegen Syrien abzustimmen. Vor den Beratungen veröffentlichte die Regierung zwei Dokumente, wonach ein Militärschlag gerechtfertigt wäre.

Publik machte sie zudem eine Einschätzung des Geheimdienstausschusses: Diese bezeichnet es als „sehr wahrscheinlich“, dass das Regime für den Chemiewaffeneinsatz in Vororten von Damaskus am 21. August verantwortlich sei. Glaubwürdige Hinweise, dass Kämpfer der Opposition zu einem solchen Angriff fähig sein könnten, lägen nicht vor.

Frankreichs Präsident François Hollande schreckt bislang vor einem möglichen Intervention in Syrien zurück – auch wenn seine Streitkräfte bereit stehen, wie das Verteidigungsministeriums mitteilte. Wichtig sei eine politische Lösung im Syrien-Konflikt, betonte Hollande nach einem Treffen mit dem syrischen Oppositionsführer Ahmad al-Dscharba in Paris. Diesem habe er alle Unterstützung Frankreichs zugesagt, neben politischer auch humanitäre und materielle Hilfe, erklärte Hollande.

Wichtig sei zudem, die syrische Opposition zu einer echten Alternative in dem Konflikt aufzubauen. „Wir werden das nur erreichen, wenn die internationale Gemeinschaft die Gewalteskalation beenden kann, von der das chemische Massaker nur ein Beispiel ist“, fügte Hollande hinzu.

Bei dem Angriff am 21. August waren nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen 355 Menschen ums Leben gekommen. Syriens Regierung streitet jede Verantwortung für den Giftgas- Angriff ab.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • T
    toddi

    Ach was das soll wohl vernünftig, zurückhaltend, um Menschenleben besorgt klingen? Einigungsversuch? Freibrief für Angriffskriege gegen Syrien, Iran usw. Absolution für geisteskranke Mörder? Ich habe auch einen Vorschlag: Wie wäre es wenn die Russen bei einem Militärschlag der USNATO, bewiesene Anwender von Giftgas, Terroristen, Massenmörder,von Saudiarabien gesteuertes Tschetschenisches Islamistengesindel, mit Raketenschlägen adeln. Sie sollten es auf Ersuchen der syrischen Regierung tun und damit nicht Völkerrechtswidrig.

    Chemiewaffenbenutzer wahrhaftige, Mögliche und simpel erlogene wären damit hinreichend bestraft aber den Sunnifaschisten wären keine strategischen Vorteile entstanden, sondern möglicherweise große Kontingente vernichtet.

    Vielleicht ja kommt bei Ankündigung solchen russischen Engagements (MIT den USA und der NATO) gegen „Chemiewaffeneinsatz“ eine westliche Attacke gar nicht erst zustande, da das Hauptziel kein Stück näher kommt. Das Chemiewaffentheater bezeichne ich für weite Kreise insbesondere GB und FR, ISR der VSA sowieso nur als lange vorbereitete Legende.

    Nach der Drohung bzw. des Bekenntnisses von Prinz Bandar, der Chef des saudischen Geheimdienstes gegenüber Putin , das Saudiarabien Anführer, Finanzier und Ausbilder weltweit der sunnitischen gewaltbereiten Islamisten ist, wäre das ein wahrer Krieg gegen den Terror. Weiterhin empfehle ich den Russen zur Zeit der Olympischen Spiele in Sotschi einen Marinegroßverband zu einem Flottenfreundschaftsbesuch nach dem Iran zu schicken einschließlich maritimer Fernfliegerkräfte und der iranischen Luftwaffe mit den Strategischen Fernfliegerkräften (ähnlich wie damals in Venezuela) einen Besuch abzustatten. Sollten Islamisten in Sotschi Menschen ermorden gibt’s was auf den Turban. Es wäre möglich das danach sämtliche Saudiölquellen auf Monate brennen - so als Antiterrormaßnahme ...

  • S
    Schramm

    Wer beleuchtet die Rolle der Rohstoff-, Energie- und Rüstungskonzerne und deren Aktiengesellschaften im Hintergrund, die Aktivitäten der Administration der Finanz- und Monopolbourgeoisie, - über deren militärischen und gesellschaftspolitischen Administration hinaus?

  • S
    Starost

    Kein wie auch immer geartetes UNO-Papier kann Luftangriffe auf ein nicht in einem Angriffskrieg befindliches Land "erlauben". Das gibt die UN-Charta schlicht nicht her. Die einzigen, die hier bombardiert gehören, sind die Kriegstreiber, die von Luftschlägen auf einen Staat im Bürgerkrieg schwadronieren.