Moderner Fünfkampf: Der Krampf am Schießstand

Beim Wettbewerb auf dem Olympiagelände testen Eric Walther und andere Athleten die neuen Regeln im Fünfkampf - und haben vor allem am Schießstand so ihre Schwierigkeiten.

Eric Walther ballt die Faust. Endlich, im dritten Schießen, trifft der gebürtige Berliner alle Scheiben. Jetzt kann er sich auf zur letzten Runde der 3.000-Meter-Strecke machen. Allerdings ohne Skier. Eric Walther ist nämlich kein Biathlet. Er ist moderner Fünfkämpfer, und für die ist die Kombination von Laufen und Schießen etwas völlig Neues.

Bisher bestand der Fünfkampf aus einzelnen Disziplinen: Schwimmen, Reiten, Fechten, Schießen und Laufen. Doch der Weltverband will die Sportart spannender und zuschauerfreundlicher gestalten. Dem Vorbild des Biathlon folgend wurden Laufen und Schießen zu einer Disziplin, dem Combined, zusammengefasst. Bei einem vom Berliner Verband ausgerichteten Wettbewerb am Freitag und Sonnabend auf dem Olympiagelände testeten die Athleten die neuen Regeln.

Nur widerwillig nehmen die Sportler den veränderten Modus an: Olympiasiegerin Lena Schöneborn hatte ursprünglich gar über einen Rücktritt nachgedacht. Auch Eric Walther zeigt sich verärgert. Die Entscheidung sei über die Köpfe der Athleten hinweg getroffen worden, kritisiert er. "So entsteht natürlich Widerstand."

Auch die Veranstalter auf dem Olympiagelände haben noch ihre Probleme mit den Neuerungen. Vieles beim Wettkampf wirkt improvisiert: Der Schießstand befindet sich im Keller eines Gebäudes. Die Athleten müssen immer erst durch einen langen Gang rennen, bevor sie zum Schützenraum kommen. Der Raum sei eigentlich nur zu Trainingszwecken gedacht, gesteht der Berliner Landestrainer Robert Trapp. "Wir sind im Moment noch etwas überfordert." Immerhin müssen die Fünfkämpfer nicht wie die Biathleten mit ihren Waffen laufen. Die Luftdruckpistolen liegen am Schießstand schon bereit.

Eric Walther ist jetzt 34 Jahre alt. 2003 war er der erste Deutsche, der Fünfkampf-Weltmeister wurde. Er hat eigentlich alles erreicht. Nach den Spielen in Peking im letzten Sommer überlegte er, seine Karriere zu beenden. Doch so weit ist es noch nicht: "Im Moment schaue ich von Stück zu Stück", sagt er. Die Diplomarbeit in BWL und Jobbewerbungen hätten derzeit Vorrang vor dem Sport. Doch wenn er die Zeit findet, möchte er sich den neuen Anforderungen stellen. "Ich wollte das auf alle Fälle mal ausprobieren", sagt er.

Früher konnten die Athleten in aller Ruhe schießen. Es galt, auf den Zielscheiben möglichst viele Punkte zu sammeln. Heute schießen sie wie im Biathlon auf fünf Scheiben. Sie müssen vom Laufen zum Schießen und vom Schießen zum Laufen wechseln. Das erhöht den Stress. Bisher verhielt sich auch das Publikum beim Schießen meist ruhig. Beim Biathlon ist das nicht der Fall - auch beim Fünfkampf könnten die Zuschauer bald mehr Lärm machen.

Die Anspannung am Schießstand macht vor allem Walther zu schaffen. Viele seiner Schüsse verfehlen ihr Ziel. Es ist für den Sportler der erste Wettkampf in diesem Format. Nach Peking hat er ein halbes Jahr Pause gemacht, die merkt man ihm an.

Wirklich schlimm sind die Fehlschüsse im Fünfkampf aber nicht. Es gibt weder Strafrunden noch Zeitstrafen. Man kann so oft schießen, wie man will. Dafür hat man 1:10 Minuten Zeit. Trifft ein Sportler nicht alle Scheiben, darf er trotzdem los. Braucht er allerdings dreimal die komplette Zeit, hat er kaum noch Chancen auf den Sieg.

Das muss auch Eric Walther erkennen. Beim zweiten Schießen wollen die Scheiben einfach nicht fallen. Als ihm gesagt wird, dass er noch zehn Sekunden hat, verzichtet er auf die beiden letzten Scheiben und wartet, bis er weiter darf. Der Modus scheint noch verbesserungswürdig. "Das wertet das Schießen natürlich ganz schön ab", kritisiert Robert Trapp.

Eric Walther kann sich bei den Junioren etwas abgucken: Seit zwei Jahren testen sie die neuen Regeln. Viele gehen mit den Bestimmungen inzwischen wesentlich routinierter um. "Bei denen konnte ich sehen, wie schnell die nachladen", sagt Walther. Gerade beim Schießen muss er sich umstellen. "Das ist ja wie eine neue Sportart", sagt er.

Für die meisten Athleten auf dem Olympiagelände ist der Wettbewerb im neuen Modus eine Premiere. Auch für Olympiasiegerin Lena Schöneborn: "Es fällt mir schon noch etwas schwer, das alles ernst zu nehmen", räumt sie ein. Als sie den Schießstand verlassen, können auch einige andere sich das Grinsen nicht verkneifen.

Sie werden sich an die Regeln gewöhnen müssen: Im Juni finden in Leipzig die Europameisterschaften im Fünfkampf statt - nach den neuen Bestimmungen. Auch Walther möchte starten. "Im eigenen Land ist das noch einmal reizvoll", sagt er. In seinem Trainingsprogramm wird sich einiges ändern müssen.

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