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Moderator Birand Bingül"Raus aus den Teestuben!"

Die Deutschtürken brauchen eine Doppelstrategie, sagt Bingül. Offensives Auftreten in der Mehrheitsgesellschaft, volles Wahlrecht - und: Schluss mit den Lebenslügen.

Rein in den Mainstream. Rein in die SPD, rein in die CDU, rät Bingül. Bild: dpa

taz: Herr Bingül, Sie haben im Frühjahr für Aufsehen gesorgt, als Sie unter dem herausfordernden Titel "Deutsch-Türken, kämpft selbst für eure Integration!" einen Text veröffentlichten. Was hat es damit auf sich?

Birand Bingül: Oft wird in Deutschland diskutiert: Was muss die deutsche Seite alles tun, damit die Türken besser integriert werden? Was muss Deutschland den Türken abverlangen? Müssen wir mehr soziales Engagement aufbringen? Und auf der türkischen Seite haben wir verschiedene Verbände und muslimische Organisationen, die sehr umfangreiche Forderungen stellen und ihre Position in den Medien, in den Communities darlegen. Ich hatte einfach die Idee, was ist denn mit den Leuten selbst, außerhalb von den Verbänden?

Wieso bezeichnen Sie diese als Deutschtürken und nicht als Türken?

Ich glaube, den Türken in Deutschland gibt es gar nicht mehr so. Viele sind schon seit 40 Jahre in Deutschland - und das hat die Türken verändert. Sie sind vielleicht nicht zwingend alle Deutsche geworden, aber "Deutschtürke" gibt ganz gut wieder, dass man eine hybride Form hat, eine Form, die sich vielleicht im Politischen nicht widerspiegelt - es gibt ja wenige Leute, die zwei Pässe haben -, aber es gibt viele Leute mit dieser gemischten Identität. Für mich persönlich ist es eher ein Gewinn als ein Malus. Und deswegen habe ich diesen Begriff sehr konsequent durchgezogen.

Wie soll man sich diese Selbstintegration vorstellen?

Nehmen Sie den Bildungsbereich: Warum gibt es Minderheiten, die unheimlichen Wert auf Bildung legen, und andere Minderheiten wie die deutschtürkischen, die das bisher nur sehr wenig tun? Es hat jetzt angefangen, dass engagierte Eltern - ob mit oder ohne Kopftuch - darauf achten, was in der Schule mit ihren Kindern passiert, die verstehen, dass sie hier eine Chance erhalten, es aufs Gymnasium zu schaffen, eine Ausbildung zu bekommen oder vielleicht sogar zu studieren. Es gibt eine ethnische Bildungsschere. Jeder zweite 15-jährige Deutschtürke besucht die Hauptschule, jeder fünfte schafft keinen Abschluss, jeder dritte zwischen 25 und 35 hat keine Ausbildung. Manche sprechen schon von einer verlorenen Generation.

Aber das liegt ja wohl nicht nur an den Eltern?

Die verschiedenen Schulstudien haben gezeigt, dass Migrantenkinder benachteiligt sind, systemisch. Auf der anderen Seite hat es aber auch damit zu tun, dass die Eltern zu wenig kapiert haben, dass das der Schlüssel ist, um in Deutschland anzukommen und qualifiziert mitmachen zu können.

Aber damit man diese Aufstiegs-, diese Leistungsperspektive hat, muss man ja mental bereits angekommen sein - so denkt man nicht mit einer anatolischen Mentalität.

Ja, aber wenn wir über die jungen Leute reden, die sind ja in dieser Gesellschaft geboren. Warum sollten sie nicht auf die Idee kommen, dass es Sinn hat, sich anzustrengen? Das kann ich eigentlich nicht gelten lassen.

Das aber würde heißen, dass diese jungen Leute, die zweite oder dritte Generation, ihre Identität aus deutschen, europäischen Parametern beziehen. Aber gibt es da nicht auch eine sehr starke religiöse Prägung?

Ich glaube, der Islam wird von Deutschen und Deutschtürken heute nur viel mehr wahrgenommen als zuvor. Die religiösen Organisationen sind die größten in Deutschland und deswegen zu politischen Ansprechpartnern geworden. Warum sind die türkisch-religiösen Organisationen so viel in den Medien? Weil es kaum andere, normale, säkulare Organisationen gibt. Die religiösen Organisationen haben ihren Zulauf vor allen Dingen in den 90er-Jahren gehabt, durch die rechtsextremen Ereignisse von Solingen, Mölln und Hoyerswerda. Da haben sehr viele - auch ich, meine Eltern, meine Familie - sich gefragt: Was sagt uns das über unseren Stand in Deutschland? Da hat es einen Backlash gegeben, und viele Deutschtürken sagten, ich muss mir jetzt einen anderen Halt suchen, und das waren eben diese religiösen Organisationen.

Was bedeutet das aber für die Selbstintegration, die sie fordern? Wann integriert sich beispielsweise eine Türkin? Wenn sie das Kopftuch ablegt oder wenn sie mit dem Kopftuch beruflich tätig ist?

(Lacht) In der besten aller Welten muss sie das Grundgesetz als solches anerkennen, in der besten aller Welten ist es auch schön, wenn sie arbeitet. Aber - Kopftuch abnehmen oder nicht - das kann man, finde ich, nur im Einzelfall entscheiden. Je nachdem, ob das bei der einzelnen Person ideologisch so aufgeladen ist, dass das ein Problem darstellt, oder nicht.

Aber wie verträgt sich das mit Ihrer Forderung, die Leute sollen die hier vorherrschenden Werte übernehmen? Ist das nicht ein Konflikt?

Ja, solche Konflikte sehen wir tagtäglich. Ich denke aber, dass sich hier auch die andere Seite, die österreichische, die deutsche, ändern und offener werden muss und nicht mehr bei jeder Moschee fragt: Ist das eine Terrorzelle? Wir brauchen einen Prozess der Öffnung in beide Richtungen. Und für mich gehört da das Wahlrecht absolut dazu. In Deutschland fordern mittlerweile immer mehr Politiker, das kommunale Wahlrecht einzuführen. Wobei ich nicht verstehe, warum man nicht über Landes- und Bundeswahlrecht sprechen kann. Das macht die Leute zu Bürgern, nichts anderes. Das wäre ein ganz wichtiger und völlig unterschätzter Schritt, die Leute hier einzubinden.

Sie haben in Ihrem Text eine Zwei-Fronten-Auseinandersetzung gefordert. Nach außen, gegen die Mehrheitsgesellschaft, fordern Sie: Heraus aus den machtlosen Integrationsräten, hinein in die Mitte der Politik!

Die Integrationsräte sind schön und gut, aber sie haben keinen großen Einfluss. Motto: Wenn ich nicht mehr weiterweiß, bild ich einen Arbeitskreis - etwa einen Arbeitskreis Integration - und strample mich da ab. Wenn man immer nur als Minderheitenverband auftritt, dann bleibt man in der Defensive.

Wo wäre es denn effektiv?

Im Mainstream. Rein in die SPD, rein in die CDU, und dann muss man sich eben auch auf dem richtigen Politmarkt durchsetzen, um dahin zu kommen, wo man auch mitsprechen kann.

Und wie ist Ihrer Meinung nach die Auseinandersetzung nach innen zu führen?

Die meisten Leute, die sich in diesem Feld engagiert haben, haben immer Forderungen an die deutsche Seite gestellt. Das ist legitim. Aber was bis jetzt äußerst wenig gemacht wird, ist, dass Deutschtürken auch nach innen einige klare und reduzierte Botschaften senden. Ich habe das so formuliert: Runter von der Straße! Raus aus den Teestuben! Ran an die Schulen!

Steht die Teestube hier für die Türkei-Idylle in den deutschen Städten?

Ich war gerade in der Türkei, und etliche Leute haben mich gefragt: Wie ist das denn mit den Türken in Deutschland, die sind ja so ein bisschen zurückgeblieben. Sie haben einfach eine Türkei der Sechziger konserviert, denn das war das Leben, das sie gekannt haben. Das haben sie mit nach Deutschland gebracht und so beibehalten. Jetzt sind diese Dörfer in die deutschen Städte verpflanzt, während jene in der Türkei 40 Jahre Zeit hatten, sich zu entwickeln. Deswegen glaube ich auch keinem jungen Deutschtürken, der hier geboren ist und der sagt: Ich bin Türke, ich habe mit Deutschland nichts zu tun. Das ist eher eine Provokation, ein Hilferuf.

Was würden Sie ihm denn sagen, dem jungen Burschen?

Ich würde ihm sagen: Warst du schon in der Türkei? Kannst du dir vorstellen, in der Türkei zu leben? Kannst du überhaupt vernünftig Türkisch? Ich gehe davon aus, dass die schon in der Türkei waren, bei den Türkischkenntnissen würde ich ein großes Fragezeichen machen. Und dass Leute von hier zurückgehen, die nicht gut ausgebildet sind, die in der Sprache nicht ganz firm sind und die die Gesellschaft dort nicht kennen, die eine viel rauere ist als die hiesige, dass die dort irgendeine Chance hätten, da habe sehr, sehr große Zweifel. Wer es schafft, zurückzugehen oder in beiden Ländern unterwegs zu sein, das sind eher die gut Qualifizierten. Insofern sage ich ihnen: Vergesst diese Illusionen, ihr seid beides am Ende des Tages, Deutschtürken, und das muss man akzeptieren. Das heißt nicht, seine Herkunft zu verleugnen. Aber jene, die sagen, wir sind Türken, die wenden sich einfach nur ab. Man muss aber beide Identitäten zusammenkriegen.

INTERVIEW: ISOLDE CHARIM

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12 Kommentare

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  • JM
    Jim McCann

    Die Eltern junger türkischer Einwanderer, wissen sehr wohl um die Bedeutung einer soliden (Aus)-Bildung für eine aussichtsreichere Zunkunft ihrer Kinder. Ihnen mangelt es jedoch nahezu an jeglichen Mitwirkungs- und

    Unterstützungsmöglichkeiten. Sie können bzw. kennen - was in jedem Fall kritikwürdig ist - oftmals weder die Sprache, noch das Schulsystem. Es ist aber ein sehr starker Trend zu erkennen, der diesen beiden Faktoren versucht entgegen zu wirken.

     

    Ebenfalls können sie keine Vorbildfunktion einnehmen die für Bildung spricht,wie es bspw. Akademikerinnen oder Akademiker für ihre Sprösslinge tun. Meisten besteht für sie häufig lediglich die Möglichkeit sich als Negativbeispiel zu presentieren, was meines Erachtens nach zur Abkapselung und Gleichgültigkeit der Einwandererkinder - im Hinblick auf die Mehrheitsgesellschaft- beiträgt. Denn sie sehen die Eltern,als in schlechten Jobs hartarbeitende, fast ausnahmslos gesetztestreue Menschen, ohne Chancen, die sich selten bis gar nicht gegenüber den "Richtigen" beschweren und trotzdem nie eine wahre Aufstiegsmöglichkeit hatten. Über die man jetzt sagt, sie hätten sich nicht richtig Verhalten in den letzten 40 Jahren, die zum "Problem" werden, die es nicht einmal hinbekommen ihre Kinder zu "erziehen" und ihnen (die richtigen) Werte zu vermittelt. Wieso redet man über diese Menschen so schlecht, denken sich nicht nur die Kinder der Einwanderer.

     

    Das Klischee der jungen Türkinnen oder der jungen Türken die in Deutschland aufwachsen, die Schule besuchen und kein deutsch sprechen, mag zwar in Einzelfällen zutreffen, es stellt aber bei weitem eine Minderheit dar.

    Das eigentliche Problem ist, dass es selbst in sog. Problembezirken - und Schulen, junge Menschen mit Migrationshintergrund gibt die sich fließend, auf DEUTSCH artikulieren können oder meinen scheitert "Intergration" an grammatischen Nuoncen, bei denen es doch häufig hagt. Trotzdem sind viele von ihnen nicht "integriert". Ihnen ist es auch nicht möglich, denn keiner sagt ihnen, was sie genau tun sollen um integriert zu sein.

     

    Auch Herr Bingöl beantwortet die Frage nicht und lammentiert bei Konkreten fragen (Kopftuch) herum.

     

    Was Memoli, auf unstreitig dumme weise, meiner Ansicht nacht zum Ausdruck bringen wollte ist, dass für ihn Herr Bingöl scheinbar nicht in der Mitte der türkischen Community steht. 100 % Deutscher bedeutet lediglich, der Mann ist so wie die, und hat nix mehr von "uns". Ebendies ist Assimilation und nicht Intergration, was zu der Konsequenz führt, dass es wie eine Aufgabe der eigenen Identität und somit Person ist sich zu "intergrieren". Auch wenn mir die Interpretation Misslungen sein sollte, ist dies meine Meinung.

     

    Herr Bingöl beantwortet die Fragen zu oberflächlich und macht auf mich ebenfalls den Eindruck eines assimilierten und nicht integrierten Menschen. Alle sitzen in Teestuben, außer er. Er gehört zu den Guten.

  • R
    Raif

    Leider wurde mein Beitrag nicht vollständig wieder gegeben, schade, aber typisch...

  • R
    Raif

    @hank

    "Und was genau ist an den Aussagen Bingüls so "bockmistig"? Wenn man schon ein derart scharfes Vokabular verwendet, sollte man dann auch etwas konkreter werden! Ich finde seine Überlegungen klingen ganz vernünftig. Außerdem was ist per se schlecht daran, "100prozentig integriert" zu sein?"

  • AZ
    A. Z.

    Folklore kann Farbe ins Leben bringen. Folklore kann aber auch zum Problem werden. Dann nämlich, wenn sie beginnt Entwicklungen zu blockieren. Bei Memoli scheint das bereits geschehen zu sein. Statt sich mühsam mit dem Text des Herrn Bingül auseinanderzusetzen, wird völlig unreflektiert drauf los gedroschen. Und das ist dann die echte, die einzig wahre ?türkische Kultur?.

     

    Nicht, dass es sie nicht auch unter "echt deutschen" Jungs und Mädels gäbe. Wenn diese Art der Volkstümelei unter jungen Deutsch-Türken aber ebenfalls ein Problem darzustellen scheint, dann kann das eigentlich nur daran liegen, dass sie die zahlenmäßig größte nichtdeutsche Gruppe bilden. Offenbar gibt die lokal besonders hohe Dichte türkischstämmiger Personen zwar einen relativ großen Pool an selbsternannten Folkloristen, aber leider kaum Menschen her, die sich mit der Brauchtumspflege im Sinne deutscher Sozialarbeiter befassen. Wie kommt das? Kann es vielleicht auch auch an der restdeutschen Mehrheitsgesellschaft liegen? Oder anders gefraget: Dürfen wir erwarten, dass Memoli uns zuliebe und aus eigener Kraft und Einsicht einen Volkstanzzirkel gründet?

     

    Wenn Zuwanderer der ersten Generation die Gepflogenheiten ihrer Heimatregion konservieren, kann ich das bis zu einem gewissen Grad verstehen. Die Gründe dafür sind hinlänglich diskutiert. Was ich jedoch bedenklich finde ist, dass wir gerade dabei sind, alte Fehler in neuem Gewand zu wiederholen. Wir reden über Kultur und Tradition, haben aber ebenso wenig eine gemeinsame Definition dafür, wie wir in den 60-ern eine gemeinsame Definition des Begriffes Gastarbeit hatten.

     

    So, wie die (unverzichtbaren!) Begriffe Kultur und Tradition den Migranten der 2. und 3. Generation vom deutschen Bildungssystem mitgegeben werden, sind sie in deren Herkunftsfamilien kaum erlebbar. Das ist schlimm, weil die in Deutschland Geborenen nämlich die ersten aus ihren jeweiligen Familien sind, die (zumindest zeitweise) ernsthaft nach einem Platz in der Mehrheitsgesellschaft suchen. Wenn diese die Mitgliedschaft dann an kulturellen Werten festmacht, die nicht geteilt werden (können), dann kann das eigentlich nur schief gehen. Erstaunlich, dass es trotzdem so viele (aus deutscher Sicht) positive Beispiele gibt.

     

    Dem geborenen Deutschen (weißer Farbe) wird seine Kultur im doppelten Wortsinn geschenkt. Für die aller meisten von uns besteht Kultur denn auch in einer recht unreflektierten Mischung aus Gutenberg und Benz, Wagner und Mozart, Luther und dem Kölner Dom, Gamsbart und Bommel-Hut, Oktoberfest, Spitzweg-Bild, gebohnertem Treppenhaus und Gartenzwerg. Egal. Wir sind ja Deutsch von Geburt. Junge Türken müssen sich behelfen. Wenn sie zu Hause nach Vergleichbarem suchen, finden sie grellbunte Hochzeiten, traurige Lieder, verkaufte Bräute, treusorgende Brüder und fettige Döner. Es bleibt eine Lücke, die irgendwie gefüllt werden will. Wenn schon nicht mit Kultur, dann eben mit Gewalt.

     

    Wer erwartet, dass jemand seine (oder andere) kulturellen Traditionen pflegt, der muss ihn darauf vorbereiten. Vor allem muss er ihm die zu pflegende Traditionen sozusagen ?zur Verfügung stellen?. Diese Aufgabe allein in die Hände religiöser Gruppen zu legen, nur weil diese ständig "ich will!" schreien, ist dumm. Nicht, weil die Religionen unterschiedlich wertvoll oder auch nur verschieden ergiebig wären. Bloß, weil keine von ihnen mehr als nur einen sehr schmalen Streifen der Kultur- und Traditionspflege abdecken kann. Glaube ist eben nicht Kultur, auch, wenn manche Kirchenführer das immer wieder gern behaupten.

     

    Alternativen zu schaffen ist schwer, das ist klar. Keine Alternativen zu haben, kann allerdings unter Umständen tödlich sein. Unter dem Kreuz genau so, wie unterm Halbmond.

  • SS
    stefan scherrer

    Eine rundum gelungene analyse ! Ankommen in einem lande ist dadurch bedingt , wie weit man sich auf die gegebenen verhältnisse einlässt , lernt, sie mit den mitgebrachten erfahrungen zusammen zu bringen . Dies in einem offen nachbarlichen austausch , nicht in der zurückgezogenheit eingetragener kulturvereine . Wer wie ich in neukölln wohnend ,in seinem kiez in einem strassenblock an ca.22 gaststätten türkischer herkunft vorbeiläuft, eingetragen als geschlossene (!)gemeinützige .vereine, fragt sich : wie wollen sie in die sie umgebende gesellschaft hereinkommen , wenn sie sich gleichzeitig selbst so hermetisch abschotten . Da entwickelt sich vereinsrecht zu einer beliebigkeit um ungestört unter sich zu bleiben .

    Die these, türkischer nostalgie anzuhängen , die selbst im herkunftland am verschwinden ist , sollte nicht darüber hinwegtäuschen , wie wichtig sie für den inneren zusammenhalt sind . Sich nach aussen abschotten, aber ein versuch der gewollten abgrenzung gegenüber der ihn umgebenden mitwelt ! So fehlerhaft , ja größtenteils dumm, die sogenannten integrationsversuche der deutschen politik und bevölkerung (hier wie dort, vorrangig desinteresse), so mangelhaft und desinteressiert die bemühungen der einwandernden , über die beteiligung am öffentlichen leben in schule (!) stadtteil, kommunen, den nachbarn kennen zu lernen .Nach dreissig jahren einwanderung bleibt das fazit:die eigenbeteiligung

    der eltern an der förderung ihrer kinder war völlig ungenügend für einen kontinuierlichen

    aufbau einer entwicklungsfähigen 2ten-3ten generation mit vorbildcharakter . Insofern ist das heutige problem der verlorenen generation zwar ein versagen der politik mangels einsicht und weitsicht , aber nicht nur mehr ein problem der deutschen gesellschaft,sondern auch das unverantwortliche verweigerung seitens der migranten .Wer die biographien jugendlicher, ihr klammern an eine geliehene gettolegende ,die die eigene verweigerung der teilnahme und des erlernens gesellschaftlicher ideen, zugunsten einer, sozialkonflikte scheuenden gangmentalität betrachtet,muß sich fragen, wo deren eigenverantwortung an ihrer zukunft anfängt.Auch hier führt Bingül treffend das unvermögen der sprache ein ! Entscheidungslos und ohne entscheidungshilfe durch ihre erwachsene community verlieren sie die sprachsicherheit: grundbedingung der fähigkeit zum sozialen aufstieg und zur durchsetzung eigener interessen, seis in der türkischen ,seis in der deutschen sprache ;von fremdsprachen gar zu schweigen!Schulische, ausbildungskonflikte, reduziert auf religiöse fragen der mitfahrmöglichkeit heranwachsender mädchen oder der kopftuchfrage , anstatt die eltern in die verantwortungspflicht für ihre kinder zu nehmen ,sie zur teilnahme an der lebensgestaltung ihrer kinder zu bringen,was auch die konstruktive dauerhaft-persönliche mitarbeit in den vorhandenen kremien wie z.B nachhilfe, elternverwaltung, etc. bedingt! Die forderung nach kleinen klassen ist eben nicht nur eine für zurückgelassene mirgantenkinder sondern hat ebenso gültigkeit für alle zu erziehenden kinder und auszubildenden!

     

    Insbesondere der von Bingül angesprochene aspekt der überlassung der meinungsführung durch religiöse verbände ,welche die neuere diskussion bestimmt ,ist vollkommen richtig ! Konnten sich die zugezogenen der ersten generation noch auf die mangelnde kenntnis der sprache und gesetze berufen,übernehmen religiöse gruppen mittlerweile die meinungsführung ,formulieren den forderungskatalog gegenüber einer ,ihnen weiterhin "unbekannten" gegenwelt. Eine stimmungslage , die eben in den abgeschotteten lebensbereichen zirkulieren und auf fruchtbaren boden fallen ,die betroffenen aber ihrer ureigenen interessen beraubt.Säkularität ist ein grundrecht das auch vor missbrauch der religionsfreiheit im weitesten sinne schützen sollte!

    Und: Mehr rechte an mitarbeit und politischer verantwortung ist keine frage der herkunft und geburt, vielmehr das bewusstwerden ständiger veränderungen , die eingebunden werden müssen in einen kontex gegenseitiger achtung und der gelassenen hinnahme ethnischer eigenheiten , ohne gleich den hammer der nationalität schwingen zu müßen .

    Der kommentar von @Memoli hingegen spiegelt leider diese nationalistische isolation wieder . Es ist schwer sich gegen den völkischen nationalismus deutscher neonazis zu wehren , wird einem gleichzeitig der selbige als türkischer nationalstolz vorgeführt . Insofern ein paradebeispiel der verfahrenen situation , in der wir uns befinden!

  • DE
    Deniz E

    Birand Birgül sieht nur die 1. und 2. Generation, aber nicht die 3. und danach folgende.

     

    Birand Birgül sollte seine aufmerksamkeit vielmehr der aktuellen geschehnisse in der Türkei widmen.

     

    Im Oktober findet eine Volksbefragung statt und die auslandstürken/innen sind wieder die ausgegrenzten.

  • D
    Deutschtürkisch

    Ich kann vielen Aussagen von Herrn Bingöl zustimmen. Leider ist es so,dass eine solche Einsicht weder von der einen noch von der anderen Seite in einem notwendigen Maße geteilt wird. Eine Veränderung der Situation von Türken und auch anderen am Rande der deutschen Gesellschaft lebenden Ausländern ist nur durch ausdauernde Eigeninitiative zu bewirken.

    Eine übliche Vorgehensweise ist aber leider auf beiden Seiten bei Diskussionen ?Das Kind mit dem Bade aus zuschütten? also bei Unstimmigkeiten die Kommunikation abzubrechen statt gemeinsame Wege zu finden. Sei es wegen fehlendem Feingefühl oder menthalitätsbedingtem Trotz.

     

    Die Belebung einer Streitkultur ist eine wichtige Entwicklung die auf beiden Seiten geschaffen werden muss. Reden ist das eine die Taten die auf längerer Sicht darauf Folgen sind das wichtige und darauf sollte der Augen merk gelegt werden.

  • H
    Hank

    Und was genau ist an den Aussagen Bingüls so "bockmistig"? Wenn man schon ein derart scharfes Vokabular verwendet, sollte man dann auch etwas konkreter werden! Ich finde seine Überlegungen klingen ganz vernünftig. Außerdem was ist per se schlecht daran, "100prozentig integriert" zu sein?

  • R
    Raif

    Die ARD setzt verstärkt auf "Integration und kulturelle Vielfalt". Darauf haben sich die neun Landesrundfunkanstalten und das Deutschlandradio verständigt. "Für uns ist es selbstverständlich, das Leben in der deutschen Einwanderungsgesellschaft in allen, gerade auch den massenattraktivenProgrammen als Normalität abzubilden.

     

    Dazu WDR-Intendantin Monika Piel, deren Sender beim Thema Integration federführend für die ARD ist: "Integration und kulturelle Vielfalt sind in unseren Programmleitlinien fest verankert.

     

    Herr Bingül ist als Jornalist mit Migrationshintergrund bei dem öffentlich-rechtlichen Sender WDR als prominente Aushängeschild beschäftigt und disqualifiziert sich selbst mit solche Aussagen. Die kulturelle Vielfalt ist ihm wohl abhanden gekommen, schade.

     

    Jeder in dieser Gesellschaft ist integriert und unserer Meinung nach kann man nicht ?nicht integriert" sein. Die Frage ist nur, auf welcher Stufe man integriert ist und in welche Netzwerke. Es wird ganz oft das Bild eines normenverletzenden Ausländers gezeichnet. Die Mehrheit taxiert dann, ob er sich noch integrieren muss oder nicht. So auch Herr Bingül. Wir könnten uns genauso auf die Position stellen, dass wir in einer globalisierten Gesellschaft leben, die von Einwanderung durchzogen ist und das auch immer schon war. Wenn Politiker und Journalisten mit "Migrationshintergrund" dann aber von Einwandererkindern verlangen, dass sie ihren Lebensunterhalt nachweisen, um wählen zu können, dann ist das für uns auch eine Form von Nichtintegration.

  • M
    Memoli

    Dies ist der - mit Abstand - wirklich größte Bockmist den ich als Türke jemals gelesen habe. Deser Text kommt nicht von einem Türken sondern von einem Deutschen. 100% Integriert. Null Türke.

  • JW
    Johann W

    Etwa 1972-1974 haben Sozialdemokraten einen Anwerbungsstopp für Gastarbeiter gesetzlich durchgesetzt. Da waren nur wenige Gastarbeiter aus der Türkei im Land. Danach kamen andere...Kurden...Folter in der Türkei ?. Gelten diese 100.000de nicht als Türken ? Kurdisch in Deutschland bedeutet mündlich.

     

    Kleine Klassen in Problemstadtvierteln Heute ?...wäre das nicht sofort eine gute Chance für Türkische Mädchen ? Ganz kleine Schulklassen am Anfang, wäre das nicht noch besser.

     

    Viel politischer Small Talk macht das Kraut nicht fett !!

  • G
    Gencer

    Wie möchte Herr Bingül bitteschön den Einzelfall beurteilen, in dem Ideologie für das Tragen des Kopftuches maßgebend ist? Gesinnungstest?