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Modemessen als Imagefaktor für BerlinNur das Image stimmt

Die Messe Bread & Butter und die Fashion Week zeigen die Bedeutung der Branche als Imagefaktor für Berlin. Für die Wirtschaft ist Mode aber kaum von Bedeutung.

Bunte Gummistiefeln auf der "Bread & Butter" 2005 in Berlin Bild: dpa

Woche der Mode

Mit großem Tamtam wurde die "Heimkehr" der Bread & Butter angekündigt, ebenso pompös will die Streatwear-Messe ab Dienstag auftreten. 550 Marken sind bei den Schauen im Flughafengebäude Tempelhof vertreten, 80.000 Besucher werden erwartet.

Der Bebelplatz wird wieder Schauplatz der Fashion Week, die Trends für Frühling und Sommer 2010 zeigt. Mit fast 40 Veranstaltungen ist die Modewoche im fünften Jahr ihres Bestehens auf Rekordmaße gewachsen.

Premiere feiert auch die Dessous-Messe 5Elements.Berlin, die mit einer Schau des Labels von Model Elle Macpherson im Palais am Funkturm eröffnet wird. Im "Kaiserlichen Postamt" von Neukölln steigt erstmals Thekey.to, eine Messe für umweltbewusste Mode. Die meisten Veranstaltungen der Modewoche richten sich an ein Fachpublikum. taz, dpa

Die Modebranche rückt sich in dieser Woche mit zwei Großereignissen selbst ins Rampenlicht: Die Messe Bread & Butter zieht nach vier Jahren in Barcelona und großer öffentlicher Diskussion in die Flughafengebäude von Tempelhof ein, die von einem Autohersteller gesponserte Fashion Week präsentiert Designermode und Showmeilen auf mehreren Bühnen in Mitte. Das dürfte einen weiteren Schub für das ohnehin glänzende Image Berlins als Modestadt bedeuten, sagen Fachleute - was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die tatsächliche Wirtschaftskraft im Branchenvergleich gering bleibt.

"Mode ist für Berlin auf jeden Fall ein wichtiger Imagefaktor, die Medienwirksamkeit ist enorm, und Designer finden hier eben Plattformen wie die Fashion Week oder die Bread & Butter", sagt Tanja Mühlhans. Sie ist bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für die sogenannten Creative Industries zuständig. Laut Thomas Letz von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin profitieren vor allem Einzelhandel und Tourismus vom internationalen Bild Berlins als junge und kreative Metropole. "Es ist ein großes Plus, dass wir Unesco-Stadt des Designs sind", sagt Letz.

Und auch der Kulturwirtschaftsbericht des Landes spricht mit Blick auf diese Auszeichnung von einer "positiven Aufbruchstimmung seitens Politik und Branche. Beinahe jeden Monat eröffnen neue Shops ansässiger Designer wie auch Flagshipstores international renommierter Unternehmen." Der Bericht schließt die Modebranche im breiter gefassten Bereich "Designwirtschaft" ein.

Die Besonderheit in Berlin sei, dass viele Designer eigene Läden hätten und zugleich international verkauften, sagt Mühlhans. Sie können sich hier besser präsentieren. "Es herrscht ein niedrigerer Druck, da die Lebenshaltungskosten niedriger sind." Die meisten Jungdesigner kommen von den inzwischen neun Modeschulen der Stadt; es gibt aber auch Labels, die aus Hamburg und Leipzig hierhergezogen sind - des Images wegen. Die Rückkehr der Bread & Butter dürfte dieses Bild festigen: "Natürlich schaut sich ein Aussteller, der über die Messen geht, auch Designer und Shops der Stadt an", so Mühlhans.

Straßenzüge wie die Oderberger oder die Raumerstraße in Prenzlauer Berg, die Seitenstraßen um den Winterfeldtplatz in Schöneberg und Gassen abseits des Hackeschen Markts in Mitte gelten als feste Designeradressen. Andere Kieze beginnen gerade, sich zu entwickeln. In Neukölln gibt es seit einiger Zeit spezielle Coachings und Förderprogramme für Modedesigner, die sich ansiedeln wollen. Der Bezirk könnte mittelfristig von den steigenden Mieten in den etablierten Kiezen wie Prenzlauer Berg, Mitte und Kreuzberg profitieren.

Ein Blick auf harte Zahlen zeigt indes den Unterschied zwischen Image und Wirtschaftskraft: Laut dem Kulturwirtschaftsbericht machen die Umsätze in der Designwirtschaft - von der die Mode ein Teil ist - gerade mal 2,2 Prozent der gesamten Kulturwirtschaft in Berlin aus; in den Jahren 2000 bis 2006 verzeichnete sie gar einen Umsatzrückgang von knapp 20 Prozent. Dieser gründe auf den Einbußen bei den in Berlin ansässigen Herstellern von Bekleidung, heißt es dazu im Bericht.

In einer Analyse der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin geben fast 65 Prozent der befragten Unternehmen an, nicht mehr als 100.000 Euro Jahresumsatz zu erzielen. Nur knapp 11 Prozent liegen darüber. Um das Existenzminimum herum bewegen sich vor allem die jüngeren: 60 Prozent derjenigen, die weniger als 10.000 Euro Umsatz im Jahr erreichen, sind 20 bis 40 Jahre alt.

Auch Letz von der IHK bekennt, dass es keine großen Herstellerfirmen in der Stadt gebe. Mode sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor - aber bislang mehr für Branchen wie den Tourismus denn als eigenständige Industrie. "Der Standort festigt sich im internationalen Vergleich gerade", sagt Tanja Mühlhans. Die Entwicklungen in New York und London hätten gezeigt, dass die Branche etwa zehn Jahre brauche, um sich zu etablieren. Die Daten aus dem Kulturwirtschaftsbericht belegen den Optimismus: Die Zahl der Unternehmen in der Designbranche stieg seit 2000 um fast 50 Prozent - ein Zeichen, dass sich Jungunternehmer den Sprung in die Selbstständigkeit zutrauen. Bundesweit lag der Zuwachs an Firmen bei 3 Prozent.

Die Kleinteiligkeit der Branche und das bisherige Schattendasein im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen dürften indes die Folgen der Finanzkrise gering halten. "Die Wirtschaftskrise wird nicht dazu führen, dass der Standort längerfristig gefährdet ist", sagt Letz. Zwar könnten Messen Sponsoren verloren gehen, doch das werde nicht längerfristig schaden. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft beobachtet bislang keine größeren Insolvenzen in der Branche. Mühlhans ist zuversichtlich, was die Modeentwicklung angeht - auch wenn sie nicht ganz so markige Worten findet wie der Chef der Bread & Butter unlängst in einem Interview: Berlin sei eine "erdige Stadt, nicht so überzüchtet und überkandidelt wie Paris oder Mailand", sagte Karl-Heinz Müller da. Deswegen ist er überzeugt, dass es in zehn Jahren "viele tausend Arbeitsplätze im Bereich Mode" geben wird.

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