Modellprojekt Bürgerarbeit: "Leider ein ziemlich dürres Konzept"
Am Donnerstag startet bundesweit das Modellprojekt Bürgerarbeit. Tina Hofmann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband über Nutzen und Kosten des Vorhabens.
taz: Hat Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen mit der Bürgerarbeit das ultimative Konzept gegen Langzeitarbeitslosigkeit gefunden?
Tina Hofmann: Die Arbeitsministerin hat leider ein ziemlich dürres Konzept vorgelegt, das für Langzeitarbeitslose zu wenig Perspektiven entwickelt. Wir können nur hoffen, dass die Jobcenter, die das Konzept mit Leben füllen, gute Ideen haben.
Die Ministerin betont, die Initiative ziele auf schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose ab. Ist für deren Betreuung genug getan worden?
Nein, gerade die arbeitsmarktfernsten Personen werden offensichtlich nicht mitgedacht. Dazu gehören Langzeitarbeitslose, die auch noch persönliche Probleme mitbringen, zum Beispiel psychische Probleme oder Schwierigkeiten, ihren Tag richtig zu strukturieren. Auch Schulden- und Suchtproblematiken werden offensichtlich nicht mitgedacht. Sonst müssten ganz andere Formen der Beschäftigung und Begleitung angeboten werden.
Müssen Bürgerarbeiter künftig jeden Job annehmen? Schließlich umfasst das Konzept auch Sanktionen, möglicherweise also Leistungskürzungen.
Ein großes Manko ist, dass die Bundesregierung versäumt hat, den Betroffenen die Möglichkeit der Wahl unter den unterschiedlichen Plätzen der Bürgerarbeit einzuräumen. Wenn das in den Regionen nicht passiert, dann droht Bürgerarbeit zur Zwangsarbeit zu werden. Wo Menschen betreut werden müssen, besonders im sozialen Bereich, muss es solche Wahlmöglichkeiten geben. Da können sie keine unwilligen Bürgerarbeiter hinschicken.
Neben aller Kritik: Welche Vorteile bringt denn die Bürgerarbeit?
Sie kann, je nachdem, wie sie ausgestaltet wird, für motivierte Langzeitarbeitslose eine Chance auf Beschäftigung sein, vor allem in solchen Regionen, in denen die Arbeitslosenrate hoch ist und in denen es keine Arbeitsmöglichkeiten gibt.
Bürgerarbeit darf keine reguläre Beschäftigung verdrängen, "normale" Jobs dürfen Bürgerarbeiter also gar nicht übernehmen. Ist das aus Sicht der Bürgerarbeiter sinnvoll?
Die Bundesregierung hat den Anspruch, dass Langzeitarbeitslose nicht in Bürgerarbeit verharren. Sie sollen zurück auf den regulären Arbeitsmarkt. Wenn man diesen Ansatz ernst nimmt, muss man den Bürgerarbeitern aber auch marktnahe Tätigkeiten anbieten. Das ist ohne Frage ein Dilemma, das man in den Regionen jeweils konkret mit allen Beteiligten angehen muss. Erfahrungen, dass so etwas trotzdem klappen kann, gibt es.
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