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Modell für Steuerreform

■ Wissenschaftler gehen weit über Waigels Vorschläge hinaus

Bonn (AP) – Ein ungewöhnlich weitgehendes Steuerreform-Modell mit einem Eingangssatz von nur zehn Prozent und einem Spitzensteuersatz von 30 Prozent hat am Dienstag in Bonn der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt. Das Konzept, das über die Vorschläge des Finanzministeriums und der CDU hinausgeht, nimmt Steuerausfälle in Höhe von mehr als 100 Milliarden Mark in Kauf und soll Bürger und Unternehmen unterm Strich um ein Viertel dieser Summe entlasten.

Im einzelnen sieht das vom Vorsitzenden des Beirates, Professor Manfred Neumann, vorgestellte Modell einen dreistufigen Einkommensteuertarif mit Sätzen von 10 Prozent zwischen 12.000 und 20.000 Mark Jahreseinkommen, von 20 Prozent zwischen 20.000 und 30.000 Mark und von 30 Prozent bei Einkommen über 30.000 Mark vor. Für die Körperschaftsteuer soll auf einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne ein Satz von 30 Prozent erhoben werden. Um die damit verbundenen Einnahmenausfälle in Höhe von geschätzten 102 Milliarden Mark gegenzufinanzieren, regt der Beirat an, bisherige Steuervergünstigungen abzuschaffen. Zum Beispiel alle Freibeträge mit Ausnahme des Kinderfreibetrags. Auch Arbeitslosengeld und Renten sollen besteuert werden.

Alle dies erbringt nach den Berechnungen des vom Wirtschaftsministerium formell unabhängigen Beirats Mehreinnahmen in Höhe von 77,5 Milliarden Mark. Der verbleibende Steuerausfall in Höhe von 25 Milliarden Mark soll als Netto-Entlastung an Bürger und Betriebe weitergegeben und durch die Rückführung der Staatsquote um rund einen Prozentpunkt finanziert werden. Die Vorlage des Beirates geht einerseits weiter und andererseits weniger weit als die von Bundesfinanzminister Theo Waigel geplante Steuerreform. So will Waigel Eingangsteuer- und Spitzensteuersatz auf nur 20 beziehungsweise 35 Prozent senken, doch sieht sein Modell eine Nettoentlastung von rund 30 Milliarden Mark vor.

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