Mobil gegen rechts: „Das ist unsere Heimat“
Unter dem Motto „Noch nicht komplett im Arsch – Zusammenhalten gegen den Rechtsruck“ mobilisiert die Band „Feine Sahne Fischfilet“ in Mecklenburg- Vorpommern.
taz: Wie passt Punk zu einer demokratiefördernden Kampagne, die das System unterstützt, Herr Gorkow?
Jan „Monchi“ Gorkow: Ich würde uns da nicht in so’ne Schublade stecken. Ich hör’ schon gerne Punk, aber ich hör’ auch Schlager! Ich finde sehr viel scheiße, was so passiert, aber hier bricht ja nicht gerade die Revolution aus. Es geht hier gerade voll nach hinten los. Wir haben die Möglichkeit, was zu tun, und darum ist es unsere Pflicht, das zu nutzten. Wenn das die Demokratie fördert, ist das doch gut. Das schließt sich doch nicht gegenseitig aus.
Gerade auf dem Land gibt es auch Leute, die sich wenig mit Politik auseinandersetzten. Wie gehen Sie damit um?
Ich habe keinen Bock darauf, jemanden zu zwingen, sich mit Politik auseinanderzusetzen. Man kann niemanden zwingen, seine Meinung zu ändern. So lange die niemanden anderen angehen – was weiß ich, weil er woanders herkommt oder so –, sollen die mal machen. Ich habe viele Freunde, die mit Politik nicht viel anfangen können. Aber das macht ja nichts.
Die Kampagne „Noch nicht komplett im Arsch“ ist eine kulturelle Offensive in Mecklenburg-Vorpommern bezüglich der Landtagswahl im September. In Kooperation mit Initiativen und Einzelpersonen vor Ort werden Veranstaltungen und Aktionen in Kleinstädten und Dörfern realisiert.
Infos + Termine dazu gibt es auf der Website nochnichtkomplettimarsch.de.
Die Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ besteht seit 2007 aus den Bandmitgliedern Monchi, Tscherni, Köbi, Mäxer, Champ und Olaf.
Musikalisch können sie als Streetpunk mit leichtem Ska-Einschlag eingeordnet werden.
Für den Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommerns ist die Band ein politischer Zusammenschluss mit explizit antistaatlicher Haltung.
Laut Sänger Monchi sind die Bandmitglieder „Antifaschisten, die Mucke machen“.
28, ist Sänger der Punkband „Feine Sahne Fischfilet“. Er ist in Jarmen, einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen.
Und was ist mit Leuten, die aus Protest AfD oder NPD wählen?
Das ist was anderes. Nur weil einem nicht gefällt, was gerade abgeht, ist es keine Lösung, rechte Scheiße zu wählen. Die Leute müssen wieder lernen, sich über Politik zu streiten! Ich versuche immer, mit den Leuten zu reden. „Nazis raus“, ruft jeder Vollidiot, man muss gute Argumente haben und sich auch mit den Gegenargumenten beschäftigen. Ich habe nicht das Gefühl, dass Leute noch ernsthaft hinter einer Partei stehen. Ich versuche, mit vielen Leuten zu reden.
Warum mobilisieren Sie gerade jetzt?
Wenn man hier mal rumfährt, sieht man nur AfD- und NPD- Plakate – nicht mal die Alibi-Plakate der SPD gibt es noch! Das ist kein linkes Gelaber, das ist echt so. Wir haben als Band gerade die Möglichkeit, Leute zu erreichen. Keine Ahnung, vielleicht interessiert sich in zwei Jahren keiner mehr für uns. Aber jetzt gerade geht das und damit haben wir die Pflicht, auch was zu tun. Wir gehen in Regionen, die andere schon völlig aufgegeben haben. Offizielle Stellen machen da nichts mehr. Und bei denen rumzuheulen, dass sie das mal sollten, ist nicht unsere Art – dann machen wir’s halt selbst!
Was möchten Sie dem Rechtsruck entgegensetzten?
Wir können nicht die Welt retten und Mecklenburg-Vorpommern wahrscheinlich auch nicht. Aber es gibt hier geile Menschen, die es wert sind, sie zu supporten. Viele trauen sich gar nicht mehr, ihre Meinung zu sagen, weil man angegriffen wird, wenn man sich positioniert. Da muss man zusammenhalten und zeigen, dass es noch Leute gibt, die auch anderer Meinung sind.
Sie sagen, dass Sie Wahlerfolge von AfD und NPD nicht aufhalten können?
Das wird am 4. September abends ein erbärmlicher Wahlausgang werden, darauf kann man sich einstellen. Mecklenburg ist das einzige Bundesland, wo die NPD noch im Landtag ist – und es wahrscheinlich auch wieder sein wird! Und die AfD spricht davon, vielleicht stärkste Kraft zu werden. Die Prognosen rechnen mit 20 Prozent. Das können wir nicht ändern. Aber wir können den Leuten hier Kraft geben – das ist realistisch. Wir hören immer: „Geil, dass ihr herkommt! Geil, dass ihr was macht!“
Wie sieht es woanders aus?
Klar gibt es das Problem auch woanders. Aber wir kommen halt von hier. Das ist unsere Heimat. Hier leben wir und hier sind Wahlen. Wir werden oft gefragt, warum wir das nicht auch woanders machen. Aber ich habe da kein schlechtes Gewissen. Wenn jemand Material braucht, Dateien der Plakate oder so – können die alles haben! Da freuen wir uns n Arsch drüber! Aber wir leben hier und wenn die dann fragen: „Warum macht ihr nichts bei uns?“ – Ja, warum machst du denn nichts?
Wie kann ich mir Ihre Veranstaltungen vorstellen? Wie lief zum Beispiel der Abend in der Kesselbar in Wolgast?
Das war megacool! Die Kesselbar hat so mit 40–50 Leuten gerechnet, aber eine halbe Stunde vorher waren schon 100 da – voll geil! Viele kamen aus der Region, viele Kids, aber auch viele Ältere. Insgesamt echt ein gemischtes Publikum und es entstand eine schöne Diskussion. Voll die entspannte Laberrunde! Und wann waren denn bitte das letzte Mal 100 Leute in der Kesselbar, um sich politisch auszutauschen?!
Manchmal werden die Konzerte aber auch angegriffen …?
Die negative Resonanz gehört dazu. Das ist jetzt kein Schock, dass so was passiert. In Greifswald wurde am selben Abend, an dem wir unsere Auftaktveranstaltung hatten, das Auto von Michael angezündet. Wir glauben nicht, dass das ein Zufall war: Er ist ein guter Freund der Band, der sich seit Jahren gegen Neonazis engagiert und das Auto war bei vielen Kundgebungen dabei. Natürlich gibt es die ganzen Drohungen vor den Veranstaltungen: „Danke, dass wir jetzt eure Termine kennen“, und so was. Wenn du dich positionierst, wirst du angegriffen – da sind wir nicht die Einzigen.
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