: Mix aus Utopie und Pragmatik
HESSEN Die neue schwarz-grüne Landesregierung stellt den Koalitionsvertrag vor: Aus dem ehemals tiefen Graben zwischen den Parteien wird nun „wechselseitiger Respekt“
VON ARNO FRANK
FRANKFURT/MAIN taz | Tarek Al-Wazir wird nicht mehr als Vorsitzender der hessischen Grünen antreten. Auch seine Stellvertreterin Kordula Schulz-Asche, die in den Bundestag wechselte, wird ihr Amt zur Wahl stellen.
Al-Wazir will sich künftig auf seine neue Aufgabe als Minister in der schwarz-grünen Landesregierung konzentrieren. Er könne sich deshalb nicht mehr „mit ganzer Kraft der Kommunikation nach innen“ widmen. Der Koalitionsvertrag, den Al-Wazir und Volker Bouffier (CDU) am Mittwoch in Wiesbaden vorstellten, umfasst 106 Seiten. Das Papier drückt den Willen aus, mit pragmatischen Mitteln das Utopische anzustreben: den „Einklang“ von Ökologie und Ökonomie. Unter dem Motto „Verlässlich gestalten, Perspektiven eröffnen“ soll die Politik auf vier Pfeilern ruhen: „Schöpfung bewahren – Natur schützen“, „Wohlstand erhalten – Ressourcen sichern“, „Wahlfreiheit sichern – Vielfalt fördern“, „Bürgergesellschaft stärken – Freiheit sichern“. „Uns ist bewusst“, heißt es in der Präambel, „dass diese ungewöhnliche Koalition […] einerseits mit Argwohn, andererseits aber auch mit Neugier und hohen Erwartungen beobachtet wird.“
Aus dem ehemals tiefen Graben zwischen den beiden Parteien ist „ein wechselseitiger Respekt von unterschiedlichen Sichtweisen“ geworden. Dieser Hinweis auf inhaltliche Differenz wird später an einer einzigen Stelle wiederholt – dort, wo es um „Flughäfen und Lärmschutz“ geht. Hier sind Kompromisse vorgesehen, mit denen es sich die CDU bei den Wirtschaftsverbänden und die Grünen bei den Bürgerbewegungen geplagter AnwohnerInnen bereits verscherzt haben. Im Vertrag ist nun von einer „gemeinsam zu verantwortenden Flughafenpolitik“ die Rede. Gut möglich, dass diese Frage ohnehin eher von Gerichten als von der Politik beantwortet werden wird. Trotzdem soll „beim zuständigen Ministerium“ eine Stabsstelle für „Fluglärmreduzierung“ eingerichtet werden, Al-Wazir bleibt als Minister für Wirtschaft und Verkehr in der Verantwortung.
Neue Umwelt- und Landwirtschaftsministerin wird Priska Hinz, bisher haushaltspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Beim Umweltschutz trägt der Koalitionsvertrag eine deutlich grüne Handschrift: Ausbau der Windenergie auf 2 Prozent der Landesfläche und Fracking-Verbot.
Ausdrücklich nicht unter „Finanzierungsvorbehalt“ stehen Projekte wie der „Pakt für den Nachmittag“ an Grundschulen, das neue Sozialbudget, die Sportförderung und eine Garantie von 30 Millionen Euro für den Brand- und Katastrophenschutz. Eine Überraschung ist die Tatsache, dass sich Kernforderungen von Homo-Aktivisten im Vertrag wiederfinden – und die CDU selbst in dieser für sie heiklen Hinsicht weit weniger konservativ agiert, als sie das zuletzt noch in der Koalition mit der FDP tat.