■ Mittwochsblick: Bremer Kommödchen
Mittwochsblick
Bremer Kommödchen
Wieso eigentlich „Kommode“? — fragt ein jeder Neubremer die Altbremer. Sieht so etwa eine Kommode aus? Tatsächlich ist der steinerne Trumm am Weserufer mit keinem Möbelstück und auch mit sonst nichts vergleichbar. Die Backsteinfassade zitiert munter die Baugeschichte mehrerer Jahrhunderte: Kastell, Bergfried und Ritterburg liehen dem Bremer Getüm, bzw. dessen Architekten Johann Georg Poppe, ihre Formen. Die vermeintliche Trutzburg nutzt friedlichen Zwecken, nämlich der allgemeinen Wasserversorgung.
Der monumentale Klotz diente als Hochreservoir-Gebäude für das erste zentrale Wassernetz Bremens, anno 1871 — 73 am Stadtwerder errichtet. Hinter
der altertümelnden Fassade verbarg sich neueste Technik: Dampfmaschinen, Werkstätten, Magazine und vor allem die gigantischen schmiedeeisernen Wasserbehälter. Die Gebäudehöhe war nicht allein Ausdruck städtischer Repräsentationswut, sondern hatte funktionale Gründe: Erst mit einer Druckhöhe von 135 Fuß waren die Bremer allzeit flüssig. Für den Bedarf von „67.000 bis 70.000 Seelen“ war das Wasserwerk ausgelegt. Mit dem Bevölkerungszuwachs mußte eine neue Technik her, die nicht mehr ins Gemäuer paßte. Heute birgt der Koloß Pumpen und Restdruckbehälter, nur noch für den Notfall. Ein Fall für die Schublade, bzw. — für die Kommode. tom/Foto: J.O.
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