■ Mittwochs-Blick (1): Großgarage Hinsch: Sprit & Design
MITTWOCHS-BLICK (1)
Großgarage Hinsch:
Sprit & Design
Garagen + Glasdach
Alle kennen solche Stellen in der Stadt: Man kann Jahre lang daran vorbeigehen und immer wieder denken: „Was ist das wohl?“ Eine Hauswand, ein Schild, ein Laden. Der flüchtige Gedanke ist schnell vergessen — bis zum nächsten Mal. In unserer neuen Rubrik „MITTWOCHS-BLICK“ wollen wir solchen merkwürdigen, veträumten, witzigen, befremdlichen Anblicken nachgehen. Heute: Teil I
Den rot verklinkerten Eingang zum Garagenhof in der Ostertorschen Kreuzstraße haben Sie vielleicht schon gesehen: Großgaragen Hinsch steht über der Einfahrt. Sie wissen, dieses Bauwerk, das in jedem Freilichtmuseum einen würdigen Platz verdiente und mit seinem altertümlichen Glasdach an Paris oder Berlin um die Jahrhundertwende erinnert. Und das in den engen Bremer Straßen im Viertel!
„Großvater Müller hatte die Idee des Garagenhofes 1924 aus Berlin mitgebracht“, berichtet sein Enkel Fritz Hinsch, 59 Jahre, der im Hof groß wurde. Der Großvater hatte einen guten Riecher, war auch schon viel herumgekommen, mit seinem internationalen Backwaren-Export. Er wußte, daß in den großen Städten Autogaragen Geld brachten und Garagenhöfe funktionierten.
Für das Müllersche Vorhaben war die Kreuzstrasse ideal gelegen: Dahinter, an der alten Prachtstraße, dem Osterdeich, hielten die Kaufleute Haus. Sie hatten Autos und Chauffeure, die im Garagenhof unterkamen: über den Garagen lagen die kleinen Chauffeurswohnungen für die oft alleinstehenden Chauffeure, die sich zeitweise bei einer „Herrschaft“ verdingten.
Der bremische Bauunternehmer und Architekt Paust gestaltete die Anlage, die 1928 fertiggestellt wurde. Bis heute steht sie unverändert im alten Klinkerstein, jugendstilig. Ähnlich wie die ehemalige „Sonnengarage“, an die sich Fritz Hinsch noch erinnert. Sie entstand zur selben Zeit, kam aber unter die Abrißbirne, als der Rembertikreisel gebaut wurde.
Dem alten Herrn Müller folgten 1945 die Kinder, die den Hof führten, dann die Enkel, die noch bis 1991 Sprit zapften, Autos reparierten und warteten. „Dann wurde es völlig unrentabel. Die großen Tankwagen kamen hier nicht mehr rein — wir mußten sogar Zuschläge zahlen, wegen der langen Rangierdauer“, erinnert sich Fritz Hinsch.
1991 war das Jahr der großen Entscheidungen: man schloß den Servicebetrieb, vermietete das ehemalige Tankkontor an ein Design-Büro und stellte den ehemaligen Ausstellungsraum für Personenwagen mit „Trümmern“ voll. Der Enkel ist ein wenig wehmütig. Seit der Betrieb geschlossen und der Eingang mit einem großen Metalltor abgesichert wurde „weil sich dieses Viertel doch sehr gewandelt hat“, ist Fritz Hinsch im Ruhestand.
Heute werden die über 50 Garagen nur noch an Private vermietet. Manche mieten schon seit über 30 Jahren, und es gibt eine richtige Warteliste. Auch Prominente finden den Weg zu diesem versteckten Fleck im Ostertor: Die Staatskarosse des Konsuls von Equador wurde noch in den 50ern hier geparkt.
ede / Foto: Jörg Oberheide
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