Mittvierziger in plüschigem Minenfeld

■ Taktik und Finesse prägten am vergangenen Wochenende die deutschen Poker-Meisterschaften

Geschickt mischt der Dealer den Stapel und schiebt jedem Spieler zwei Karten zu. Ein wenig werden diese angehoben, ein kurzer Blick langt. Keine Reaktion in den Gesichtern, niemand will sich verraten. „Beim Pokern muß man einschätzen können, welche Entwicklungsmöglichkeiten das Blatt hat“, meint Franziska Keimeyer, die jüngste Teilnehmerin am Finale der vierten deutschen Poker-Meisterschaften und eine von vier Frauen. Was kann aus meinen Karten werden, was darf ich riskieren?

Der Spielleiter legt eine Reihe offener Karten auf den Tisch. Wieder huschen die Augen der Spieler über die Blätter und die Gesichter der Gegner. Wer blufft, wer hat tatsächlich ein gutes Blatt? Die Spannung und die Einsätze steigen. „Pokern bedeutet, Geduld zu haben“, erklärt Lothar Landauer, einer von einem Dutzend deutscher Profis.

Der Mittvierziger im senfgelben Anzug hat schon ein Paar vor sich liegen – zwei Damen. Ein Konkurrent geht ans Limit, setzt 3 000 Mark. Zuviel für Landauer, er steigt aus. Ein Fehler: Der Haufen Jetons geht an den Spieler mit dem schlechteren Blatt, dessen Wagemut belohnt wird.

In der Spielbank Hamburg des Interconti erinnerte am Wochenende nichts an das Hinterzimmerklischee aus Pokerfilmen. Statt dessen herrschte an der Außenalster Plüschatmosphäre vor. An den grün bezogenen Spieltischen ging es gesittet zu: Während der Runden wurde kein Alkohol getrunken, nur wenige Spieler rauchten.

Konzentriert blickten die gewieften Poker-Hasen auf ihre Karten und Einsätze, schließlich hatten die Spielbanken Deutschlands 100 000 Mark für den Sieger ausgelobt. Zwei Tage lang kämpften die 70 Teilnehmer, die sich in Vorausscheidungen qualifiziert hatten, um den Titel.

Die gesetteten Spieler um die 40 sind in der Mehrzahl. Es sind jedoch alle Altersgruppen vertreten – ab Mitte 20 bis an die 80. Nach dem ersten Tag ist bereits für die Hälfte der Aktiven Schluß. Beim „Freeze-Out-System“, einer speziellen Art des Pokerns, scheidet derjenige Spieler aus, der seinen gesamten Einsatz – fiktive 2 500 Mark – verspielt hat. Die ständige Erhöhung des Limits, der Mindestwetteinsätze, sorgte dafür, daß schon bald die ersten Zocker die Karten zur Seite legen mußten.

Routinier Landauer weiß, worum es beim „Seven Card Stud Poker“ geht, einer Variante, bei der bis zu vier Karten offen vor dem Spieler liegen. „Mathematisches Verständnis sowie ein Blick für das eigene Blatt sind am wichtigsten.“ Insbesondere die Fähigkeit, aus schlechten Karten noch etwas zu machen, zeichnet einen erfolgreichen Pokerspieler aus.

Dieses Mal ist Landauer nicht gewitzt genug, andere spielen um die Poker-Krone: Andreas Pirner aus Iserlohn und der Italiener Fernando Bracelli. Der Wahl-Schweizer ist im Vorteil: Sein Vorsprung ist so groß, daß er es sich leisten kann, Pirner das Risiko eingehen zu lassen: Der Deutsche hat nur noch wenig Geld, Bracelli kann ruhig bleiben.

Der Flugzeug-Steward muß nicht lange warten: Pirner geht aufs ganze. Mit einem Siebener-Paar offen auf dem Tisch setzt er alles, wagt einen „All in“. Bracelli läßt sich nicht irritieren. Seine letzte Karte beschert ihm ein Full House – der Sieg. Pirner hat verspielt.

„Poker ist wie ein Minenfeld“, sagt Bracelli später. Und so verhält er sich auch bei der Siegerehrung: Regungslos nimmt er den Pokal entgegen, bleibt vorsichtig auch nach dem Triumph. Der Taktiker weiß: Wer hochgeht, hat verloren. Eberhard Spohd