Mithu Sanyal Mithulogie: Isch bin deine Mudda, Seehofer
Man sollte rassistische Sprüche nicht wiederholen, schließlich ist auch schlechte Presse gute Presse und füttert die Aufmerksamkeitsmaschine. Doch über manches muss man einfach reden, wie über den skandalösen Satz Seehofers: „Migration ist die Mutter aller Probleme.“ Wie bitte? Auch die des Rentenlochs und dass wir keine effektive Mietbremse haben und der §219a noch immer nicht abgeschafft ist?
Doch das Problem mit diesem Satz ist nicht, dass er Nonsens ist, sondern dass er gefährlicher Nonsens ist.
Fangen wir mit dem Nonsens an: „Ich bin als Mutter nicht die Quelle irgendwessen Problems!“, schrieb mir meine Freundin G. aufgebracht nach Muttergate. „Hier werden Mütter sprachlich für Ausgrenzung missbraucht.“ Und es ist ja nicht so, als würden Mütter nicht schon genügend Fett wegbekommen. Sie erziehen ihre Kinder falsch oder vernachlässigen sie wie die Raben, und wenn man „deine Mutter“ googelt, erhält man die „100 besten Witze“, warum Mütter so hässlich und blöd sind. Frei nach Freud: If it’s not one thing it’s your mother. Also: Irgendwas ist Mama.
Zum Glück ist Horst Seehofer nicht Familienminister.
Zu unser aller Unglück ist er aber Innenminister und damit direkt verantwortlich für den Bereich Migration. Und mit dieser Aussage hat er endgültig bewiesen, dass er dafür nicht qualifiziert ist. Das ist, als würde der Chef des Sozialamtes sagen: Arme Menschen sind Verbrecher. Oder als würde die Direktorin einer Schule sagen: Kinder sind alle blöd und stören hier nur.
Dafür muss Seehofer ja nicht seinen Job verlieren. Aber er sollte ganz dringend Fortbildungen – zu interkultureller Kompetenz, gewaltfreier Kommunikation und … Demokratie – machen und erst weiterministern dürfen, wenn er nachweist, dass er die Voraussetzungen für einen so verantwortungsvollen Posten inzwischen erlangt hat.
Wie das gehen kann, zeigt das Ministerium in NRW, wo seit März Aladin El-Mafaalani die Integrationsabteilung leitet. Nach der Mutter-Entgleisung schickte der KiWi-Verlag Seehofer El-Mafaalanis neues Buch „Das Integrationsparadox“, das so instruktiv ist, dass die Bundeszentrale für Politische Bildung es nachdrucken und an alle öffentlichen Stellen verteilen sollte.
Die Fünftagevorschau
Di., 11. 9.
Doris Akrap
So nicht
Mi., 12. 9.
Franziska Seyboldt
Psycho
Do., 13. 9.
Jürn Kruse
Nach Geburt
Fr., 14. 9.
Michelle Demishevich
Lost in Trans*lation
Mo., 17. 9.
Kefah Ali Deeb
Nachbarn
kolumne@taz.de
Migration ist zwar niemandes Mutter, aber wenn, dann die des Wirtschaftswachstums, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung errechnet hat. Und sogar Seehofer musste erst im Mai im Bundestag bestätigen, dass Kriminalität in Deutschland keineswegs ansteigt, sondern rückläufig ist, auch Kriminalität von Migrant*innen und auch wenn er sich dabei anhörte, als hätte er einen Storch verschluckt. Pardon eine von Storch.
Bereits Heraklit verzapfte Blödsinn, als er behauptete, dass Krieg der Vater aller Dinge sei. Und Seehofer ist echt kein Philosoph.
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