Mitgliederbefragung bei der FDP: Etappensieg der Nein-Sager
Viele Deutsche verfolgen den Europakurs der Regierung skeptisch. In der FDP gibt es dazu jetzt einen Mitgliederentscheid. Die Parteispitze gibt sich demonstrativ gelassen.
BERLIN taz | Kaum hat die schwarz-gelbe Koalition die heikle Abstimmung zum erweiterten Euro-Rettungsschirm für Griechenland im Bundestag überstanden, droht das nächste Ungemach. Der FDP steht nun jener Mitgliederentscheid ins Haus, der die Partei seit Wochen spaltet.
Nach eigenen Angaben haben die "Euro-Rebellen" um den FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler jetzt die benötigten 3.500 Unterschriften beisammen, um den Kurs ihrer Parteispitze - und damit der Bundesregierung - zu torpedieren. Denn Schäffler und seine Mitstreiter wollen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM verhindern, über den Anfang 2012 im Bundestag abgestimmt werden soll.
Einen Mitgliederentscheid, der sie in dieser Frage binden soll, kann die gebeutelte FDP-Spitze derzeit so gut gebrauchen wie einen Kropf am Hals. Dennoch muß sie gute Miene zum bösen Spiel machen. "Sehr gelassen" gab sich der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Volker Wissing, auf Phoenix zum Votum des Basis. "Der Mitgliederentscheid ist ein urdemokratischer Vorgang", säuselte auch Cornelia Pieper (FDP), Staatsministerin im Auswärtigen Amt, in einem Interview. Die FDP dürfe aber als "Europapartei mit großer Tradition auf keinen Fall populistischen Stimmungen nachjagen", giftete sie zugleich gegen Schäffler.
Doch der ist nicht zu stoppen. Anfang nächster Woche will er dem FDP-Generalsekretär Christian Lindner seine Unterschriftenliste übergeben. Nach einer stichprobenartigen Überprüfung der Stimmen wird dann das Verfahren in Gang gesetzt. Mindestens ein Drittel der bundesweit 65.000 FDP-Mitglieder muss sich beteiligen - dann reicht eine einfache Mehrheit für ein gültiges Ergebnis. Das wird in etwa zehn Wochen erwartet.
Sympathien für Schäffler
Nur ein einziger Landesverband, die FDP in Bremen, hat sich bisher auch inhaltlich voll und ganz hinter Schäfflers Antrag gestellt: Im Zweifelsfall solle Griechenland eben aus dem Euro austreten, fordert der Bremer Landesvorsitzende Hauke Hilz. Auch in Sachsen-Anhalt und in Berlin hegt man Sympathien für Schäffler. In allen diesen drei Bundesländern - sowie in Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern - ist man in diesem Jahr aus den Landesparlamenten geflogen.
In Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern war man von Anfang an gegen den Mitgliederentscheid. Nun schart man sich dort demonstrativ hinter Parteichef Philipp Rösler. "Wir lehnen den Antrag von Frank Schäffkler ab, weil er eine konstruktive Mitarbeit an der Stabilität der Währungsunion verhindert", so Bayerns FDP-Landesvorsitzende und Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger.
Die FDP-Führung kennt den Unmut an der Basis - und hat längst eine Gegenoffensive gestartet. Auf diversen "Regionalkonferenzen" warben Parteichef Philipp Rösler, Generalsekretär Christian Lindner und Fraktionschef Rainer Brüderle für ihren Kurs. Darüber hinaus haben sie Ende des Monats eine Klausurtagung anberaumt, um ihren Gegenantrag zu Schäfflers Forderungen auszuarbeiten. Zwischen diesen Optionen muss die FDP-Basis dann wählen. Verweigert sie ihrer Führung die Gefolgschaft, müsste diese ihrerseits die Koalition aufkündigen. Zumindest theoretisch.
Umfragen stützen Schäfflers Haltung
Schäffler ist zuversichtlich, dass sein Antrag eine Mehrheit findet. "Wem es gelingt, das Fünf-Prozent-Quorum in vier Wochen zusammenzubekommen, der schafft auch den Entscheid", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Es gäbe eine "Diskrepanz zwischen den politisch Handelnden und der Basis" - und das gelte nicht nur für die FDP.
Umfragen geben ihm recht. Mehr als die Hälfte der Deutschen sehnen sich die D-Mark zurück, ergab eine Umfrage des Stern. Und nur 26 Prozent aller Befragten waren in einer Befragung des Münster Researsch Insitute und der Zeppelin-Uni Friedrichshafen überzeugt, dass die Finanzspritzen Griechenland retten werden. Viel Potential für die Euro-Skeptiker in der FDP.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!