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Archiv-Artikel

Mit wehenden Fahnen

Auch gegen die geschwächte Abwehr des französischen Serienmeisters gelingt dem erfolgreichsten Sturm der Bundesliga kein Tor: Bremen verliert im Weserstadion gegen Olympique Lyonnais mit 0:3

AUS BREMENBENNO SCHIRRMEISTER

Die erlösende Wahrheit wäre ein lautes und deutliches Ja gewesen. Aber so klar und deutlich kann Trainer Thomas Schaaf die Frage, ob Bremen jetzt, nach der 0:3-Schlappe im Achtelfinal-Hinspiel, die Champions League vergessen und sich auf Meisterschaft und Pokalwettbewerb konzentrieren soll, natürlich nicht beantworten. Also druckst er herum, sieht die „eindeutig zu hohe Niederlage“ als größte Motivation für das Rückspiel am 8. März in Lyon, schon „weil wir das so nicht stehen lassen können“ – und bedankt sich herzlich beim Publikum.

Die Fans hatten indes schon in der 77. Minute alle europäischen Hoffnungen begraben und in Sprechchören die Saisonziele nach unten korrigiert: Man wolle, war nach dem vorentscheidenden 2:0 von Mahammadou Diarra zu vernehmen, bloß noch nach Berlin fahren, um sich dort den DFB-Pokal zu holen. Drei Minuten später setzte Lyons brasilianischer Spielmacher Pernambuco Juninho noch ein Ausrufezeichen dahinter. Sein Freistoß segelte aus gut 35 Metern Entfernung in einer sanft geschwungenen Linie an einer schlampig postierten Bremer Mauer vorbei ins Tor zum 0:3-Endstand. Die einzig sichtbare Reaktion von Torwart Andreas Reinke, der vor der Partie getönt hatte, er werde sich auf diesen Freistoßspezialisten schon einstellen, war ein verdutzter Blick nach rechts, wo sich das Leder schon in den Maschen bäumte. „Das Glück war mit mir“, kommentierte der brasilianische Nationalspieler nüchtern. Und weil das Glück kein verlässlicher Partner ist, versprach er: „Ich werde weiter an mir arbeiten.“

Verdient? Unverdient? Bremens höchste Heimniederlage in einem europäischen Wettbewerb war durchaus auch Ausdruck mangelnder Erfahrung in der Königsklasse: Lyon, in Frankreich kurz vor dem vierten Titelgewinn in Serie und seit vier Jahren regelmäßig in der Champions League dabei, trat im Bremer Schneeregen taktisch disziplinierter, technisch versierter und im entscheidenden Moment mit der nötigen Coolness auf. Trotz der Ausfälle von Abwehrchef Claudio Caçapa und Außenverteidiger Anthony Reveillère fand der erfolgreichste Sturm der Bundesliga kaum einmal den Weg durch die gut organisierte französische Defensive. Und wenn doch, dann scheiterte er am sicher den Strafraum beherrschenden Grégory Coupet. Obwohl die Statistik 61 Prozent Ballbesitz und ein Eckballverhältnis von 13:3 für Bremer Offensivbemühungen anzeigte, verzeichnet sie lediglich sechs Torschüsse. Und Pech beim Abschluss kann höchstens für einen die Latte streifenden Kopfball von Daniel Jensen in der 31. Minute veranschlagt werden. Zu fahrig hingegen die Strafraumaktionen des übermotiviert wirkenden Nelson Valdez. Die größte Chance zum Ausgleich vergab der Paraguayo in der 61. Minute, als er nach einem schönen Solo von links freistehend den Ball am Tor vorbeischob: „Ich werde heute Nacht wohl ganz schlecht schlafen können“, gab er sich nach der Partie geknickt.

Die zunehmende Hektik der Bremer nutzte der von Trainer Paul Le Guen mit fünf Offensivkräften außergewöhnlich angriffslustig eingestellte Gegner für schnörkellos vorgetragene Konter – bei denen die Flügelstürmer ihre Sprinterqualitäten voll ausspielten. Nach dem Motto „Geschwindigkeit schafft Überzahl“ hatte sie bereits auf die erste Großchance der Bremer reagiert – und in der 9. Minute die Führung erzielt: Während Ludovic Magnin an der Mittellinie noch zu Unrecht Abseits reklamierte, passte Florent Malouda bereits auf Sydney Govou, den Paul Stalteri vergeblich versuchte einzuholen: Ein missglückter Schussversuch, der nach links in den Strafraum trudelte, wo völlig unbewacht Sylvain Wiltord vollenden konnte.

Eine beeindruckende Vorstellung und, weil Olympique Lyonnais bis zum Schluss keine Ergebnisverwaltung betrieb, Werbung für den Fußball, wenn auch nur für den à la française. Man sei „durch Mut zum Erfolg gekommen“, sagte ein sichtlich zufriedener Gästetrainer, stehe aber noch lange nicht im Viertelfinale. „Wir haben uns nur einen Vorteil fürs Rückspiel verschafft“, stapelte Le Guen tief. Das findet im Stade Gerland statt. Dort ist Lyon seit einem Jahr ungeschlagen.