■ Mit versalzten Gebieten auf du und du: Verwüsteter Aralsee
Nukus (dpa) – Wo früher Fischkutter zum Fang ausfuhren, trotten heute Kühe und Kamele durch den Wüstensand: Um 16 Meter ist der Wasserspiegel des Aralsees in den vergangenen 25 Jahren gefallen. Sand, Salz und riesige Umweltprobleme hat der viertgrößte Binnensee der Welt – fast so groß wie Bayern – zurückgelassen.
In dem trostlosen Wüstenort Muinak, einst ein Fischereihafen und jetzt 38 Kilometer vom Ufer des Aralsees entfernt, berichtet der Bürgermeister von Klimaveränderungen. Im vergangenen Winter habe es lange und starke Kälteperioden gegeben, wie sie der Landstrich in Usbekistan früher nicht kannte, sagt Tadjetin Kerimsatov: „Die Jahreszeiten sind irgendwie vermischt, es gibt auch keinen richtigen Frühling mehr.“
Und der Raubbau an der Natur geht weiter: Obwohl der Aralsee durch Verdunstung langsam austrocknet, werden sogar seine Zuflüsse reduziert. Ihr Wasser wird immer noch zur Bewässerung von Baumwollfeldern abgeleitet; Felder und Wasser werden dabei mit Dünger, Entlaubungsmitteln und Insektiziden verseucht.
Gifte und Salz gelangen schließlich ins Trinkwasser. Und die dadurch entstehenden Gesundheitsschäden der Bevölkerung markieren einen traurigen Rekord in der GUS: Bei fast achtzig Prozent der Frauen sei eine Anämie festgestellt worden, sagt der Chefarzt des Krankenhauses in Nukus, Naurys Eshniyasov. Die Blutarmut und einseitige Ernährung begünstigen andere Krankheiten. Darm- und Magenkrebs sind in der Aralsee-Region drei- bis viermal, Nierenkrebs ist zehnmal häufiger als bei Menschen in anderen Ländern der GUS. Auch Hepatitis tritt sieben- bis zehnmal öfter auf. Die Mißbildungen bei Babys nehmen zu.
Und die Umweltschäden betreffen allmählich immer größere Gebiete in Usbekistan. Denn die Winde vom Aralsee- Gebiet tragen die Salzkristalle bis zum Pamirgebirge und bringen zusätzlich pro Jahr vier Tonnen Salz auf jedes Hektar Boden. Unter den Füßen knirschen die Salzkristalle wie eine Schneekruste. Pflanzenschutz- und Entlaubungsmittel machen die Humusschicht langsam, aber sicher unfruchtbar. Der See selbst stirbt weiter. Derzeit verdunstet dort dreimal soviel Wasser wie nachfließt. Schon in 25 Jahren könnte er völlig ausgetrocknet sein.
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