■ Mit ukrainischer Privatisierung auf du und du: Eingebaute Bremsen
Warschau (taz) – Das neue Jahr wird aus den Beschäftigten der Dampfschiffahrtsgesellschaft von Odessa Kapitalisten machen, so meldet es die ukrainische Nachrichtenagentur UNIAN. 1995 soll Udasko, die „Ukrainische Donauschiffahrt“ privatisiert werden. Das Ganze hat allerdings einen Haken: Zwar werden bis zu 39 Prozent der Aktien gegen Voucher getauscht und damit tatsächlich unters Volk gebracht, aber 51 Prozent behält der Staat. Die Differenz bleibt den Arbeiter- Aktionären. Die bisherige Erfahrung mit der ukrainischen Privatisierung hat gezeigt, daß sich höchstens bei der kleinen Privatisierung am Geschäftsgebaren einer privatisierten Firma etwas ändert.
Die meisten Kleinbetriebe wie Kneipen, Wohnungen und Dienstleistungsbetriebe, die in den letzten drei Jahren versteigert wurden, sind genaugenommen geleast. Auch Grund und Boden konnte man bisher allenfalls pachten – die kommunistische Parlamentsmehrheit achtete stets darauf, das „Gemeineigentum an Grund und Boden“ nicht anzutasten. Abhilfe sollte die Voucherprivatisierung schaffen, die dieses Jahr in ihre heiße Phase gehen soll. Einiges spricht allerdings dafür, daß diese Phase so heiß nicht werden wird. Als sich die Regierung Mitte Dezember traf, um die Umwandlung der Staatsbetriebe in Aktiengesellschaften zu analysieren, stellte sie fest, daß die Betriebe noch gar nicht soweit waren. Nach einem Dekret von Präsident Kutschma sollten insgesamt 1.375 große Firmen bis 1. November AGs geworden sein, doch der Umwandlungsprozeß hatte in 523 davon noch gar nicht begonnen. Die stellvertretende Wirtschaftsministerin Lada Pawliska drohte den widerspenstigen Firmenchefs mit dem Verlust ihrer Vorzugsaktien.
Diese Privatisierung mit halbem Herzen birgt noch zahlreiche weitere Risiken: Etwa 25 Prozent der Voucherbesitzer übergeben ihre Scheine sogenannten Investmenttrusts. Derer gibt es bereits über 200, wer sie aber kontrollieren soll, Nationalbank, der staatliche Privatisierungsfonds oder das Finanzministerium, ist noch nicht geklärt. Ende letzten Jahres sonderte der Privatisierungsfonds ohnehin knapp 6.000 strategisch wichtige Betriebe von der Privatisierung aus.
Ein großer Teil der Firmen und Objekte ist ohnehin kommunales Eigentum. So können die Oblast-Verwaltungen, die Städte und Gemeinden die Privatisierung jederzeit blockieren oder beschleunigen. So entstehen auch regionale Unterschiede, bei der erstaunlicherweise der Osten, der bei den bisherigen Wahlen überwiegend prokommunistisch gestimmt hat, ganz gut abschneidet. Klaus Bachmann
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