■ Mit nüchternen Autofahrern auf du und du: Pustefix für Autos
Heidelberg (taz) – Die Drägerwerke in Lübeck haben einen neuen Schutzmechanismus gegen betrunkene Autofahrer entwickelt. Das System kontrolliert noch vor dem Start den Alkoholpegel des Fahrers und funktioniert im Prinzip wie die berüchtigten „Blastüten“ der Polizei.
„Interlock“, so heißt das System, wird mit der Zündung des Wagens gekoppelt. Vor jedem Start muß der Fahrer in die Düse des Handgeräts pusten. Eine elektrochemische Alkoholmeßzelle prüft den Alkoholgehalt des Atems. Liegt der über der eingestellten Promillegrenze, geht nix – der Wagen startet nicht. Erst wenn der Alkoholspiegel im Atem unter der eingespeicherten Promillegrenze liegt, läuft der Motor.
In Australien ist das Interlocksystem bereits für den Verkehr zugelassen und auf privater Basis im Einsatz. Jürgen Sohege von den Drägerwerken: „Wir hoffen, daß es jetzt auch gesetzlich zugelassen wird. Dann könnten Verkehrsrichter zum Beispiel bei Wiederholungstätern auf einen Führerscheinentzug verzichten.“ Stattdessen könnten sie anordnen, daß der betroffene Autofahrer für längere Zeit nur mit dem Kontrollgerät im Wagen fahren darf.
In Deutschland darf das elektronische Alkoholmeßsystem im Straßenverkehr noch nicht eingesetzt werden. Die Firma hofft, innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre eine allgemeine Betriebserlaubnis für den Einsatz in Kraftfahrzeugen zu bekommen. Dann könnte das etwa 2.000 Mark teure Interlocksystem zunächst auf privater Basis in Kraftwagen eingesetzt werden – sicher kaum in privaten Autos, dafür von Speditionen oder Busunternehmen.
Zum Schutz gegen Mißbrauch sind technische und logistische Hindernisse in das System eingebaut. Jeder Versuch der technischen Manipulation, etwa das Abklemmen von der Zündung, wird vom Gerät registriert und gespeichert. Die einzige Möglichkeit, das Alkoholkontrollgerät auszutricksen, wäre die, daß eine nüchterne Person an Stelle des Fahrers die Atemprobe abgibt. Dann startet der Wagen. Aber das Gerät ist so programmiert, daß es nach fünf und fünfzehn Minuten Fahrt eine weitere Atemkontrolle verlangt. Unwahrscheinlich, daß ein nüchterner Beifahrer dazu bereit wäre, vermuten die Hersteller.
Nach Angaben der Drägerwerke waren TÜV und Zulassungsstellen vom neuen Gerät ziemlich überrascht. Wegen der langen Prüfverfahren hofft der Hersteller deshalb auf schnelleren Einsatz in Industriebetrieben. Denn mit dem gleichen Gerät könnten Maschinen und Fertigungsstraßen vor alkoholisierten Mitarbeitern geschützt werden. Roberto Hohrein
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen