piwik no script img

■ Mit norwegischer Fischzucht auf du und duDas Meer gedüngt

Oslo (taz) – Für die Wissenschaftszeitschrift New Scientist ist das Projekt eine „geplante Katastrophe“. Für den Meeresforscher Victor Öiestad von der norwegischen Fischereihochschule in Tromsö hat diese Kritik jeglichen Realitätsbezug verloren. Im norwegischen Kåfjord sollen die Algen künstlich blühen – was sonst als Zeichen für die katastrophale Verschmutzung und Überdüngung der Meere gilt, Fische ersticken und Badegäste flüchten läßt, davon erhofft sich die Fischereiwirtschaft nun fettere Fänge.

In einem ersten Großversuch will man in den Sommermonaten täglich rund 200 – insgesamt etwa 30.000 – Kilogramm Nährsalze in den Kåfjord einbringen. Die Algen blühen auf und locken algenfressende Kleintiere an, Krabben und Krill, solange sie genug Licht und Nahrung haben. Dorsche und andere Speisefische werden dann ihrer Lieblingsmahlzeit nachfolgen, so die etwas trübe Theorie. Am Ende der Nahrungskette wird sich jedes Kilo Dünger in einem zusätzlichen Kilo Fisch pro Fischsaison niederschlagen. Praktisch ein fast kostenloses Fischwachstum für die Fischereination Norwegen, in deren Häfen tagtäglich im Schnitt sieben Millionen Kilo Fisch angelandet werden, bis zu drei Millionen Tonnen im Jahr.

Falls es klappt. „Man wird es mit dem jetzigen Versuch schwer haben, überhaupt ein Resultat nachweisen zu können“, glaubt deshalb Tromsö- Professor Victor Öiestad. „200 Kilo sind weniger als der sprichwörtliche Tropfen im Meer, wenn man den gesammelten Düngemittelaustritt allein in die Nordsee mit etwa einer Million Tonnen im Jahr zum Vergleich nimmt.“ Öiestad hält daher zum einen die Katastrophenwarnungen im Zusammenhang mit dem sommerlichen Düngungsversuch für Unsinn, ist aber trotzdem dem Projekt gegenüber kritisch eingestellt: Es bringe nichts und könne doch das lokale biologische Gleichgewicht in einem Fjord durcheinanderbringen.

Sein Kollege Jens Erik Eliassen befürchtet darüber hinaus, daß solche Versuche die natürlichen Wanderungsbewegungen der Dorsche und anderer Fische auf Dauer stören könnten, Meeresgebiete ohne künstlichen Algenwuchs bald ohne Fisch sein würden und die künstliche Düngung zu einem notwendigen Dauerzustand werden würde.

Aber nicht nur solche Aussichten eines zusätzlichen Düngemittelabsatzes im idyllischen Kåfjord dürften es in erster Linie sein, die den norwegischen Chemieriesen Norsk Hydro seit Jahren für das Projekt kämpfen läßt. Norsk Hydro hofft, in Zukunft auch die Produktion und Verteilung von Nährsalzen in den Weltmeeren steuern zu können. Wird nämlich im Kåfjord die biologische Produktion in einer Tiefe von fünf bis zehn Metern gefördert, reicht die für die Fischerei interessante Speisekammer der Fische bis zu einer Tiefe von 100 Metern hinab. Diese zweite Teststufe müßte mit massivem Nährsalzeinsatz getestet werden und könnte dann tatsächlich zu den schon jetzt befürchteten, katastrophalen Folgen und einem Umkippen ganzer Meeresgebiete führen.

Victor Öiestad sieht die Zukunft für die weltweite Fischpopulation allerdings offenbar eher in einer Art riesigem untermeerischem Mixer: „Es gibt genug Nährsalze. Sie liegen nur unterhalb der Meerestiefe von rund einhundert Metern, bis zu der biologische Produktion möglich ist. Könnte man künstliche Auftriebsströmungen schaffen, wie sie in der Natur beispielsweise vor den Küsten Perus, Chiles und Namibias vorkommen, wäre jede Zusatzdüngung unnötig. Ausgereifte technische Lösungen dafür gibt es noch nicht: Aber vielleicht, meint Öiestad, könne man Flußmündungen über gewaltige Schächte zum Meeresboden hinunterleiten und damit Auftriebsströmungen auslösen.

Angesichts solcher Projekte muß die Kritik am 200-Kilogramm-Versuch im Kåfjord wohl tatsächlich als lächerlich erscheinen. Reinhard Wolff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen