: Mit illegalen Tricks zum Kunststoffbusen
■ RTL enttarnte: Bremer Chirurg bot Patientin gebrauchte Silikonbrust und Steuerbetrug an
Ärzte betrügen Steuer und Krankenkasse, verstoßen aus Geldgier gegen moralisch-ethische Normen und handeln deswegen auch mit Plantaten. So ziemlich alle Schlechtigkeiten, die einem Halbgott in Weiß nachgesagt werden könnten, hat RTL plus bei dem Bremer Arzt Otto Diemer ausgemacht. In der Dienstags- Sendung Explosiv outete ein RTL-Team den 71 Jahre alten Chirurgen als einen, der es in seiner Praxis mit Recht, Gesetz und Moral nicht so genau nimmt.
Der Fall: Bei Diemer, der in der Paracelsus-Klinik Belegbetten unterhält, erschien ein Pärchen. Die Frau erklärte, daß sie sich die Brust vergrößern lassen wolle. Was Diemer nicht ahnte: Die beiden hatten eine Kamera dabei, mit der sie diese und die folgenden Verhandlungen filmten. 5.500 Mark sollte es kosten, den Busen mit einer Silikon-Einlage aufzufüllen, zu teuer für die beiden. Also machte sich Diemer mit der Patientin auf die Suche nach kostengünstigeren Lösungen. Und davon gab es drei:
Steuerbetrug: 500 Mark billiger sollte es werden, wenn die Frau das Geld schwarz zahlen würde, also an den Büchern und der Steuer vorbei.
Kassenbetrug: Wenn man der Kasse erklären würde, daß ein Knoten aus der Brust entfernt werden muß, könnten die Operation, das Honorar und der dreitägige Krankenhausaufenthalt fremdfinanziert werden. Es bliebe lediglich der 1.300 Marks- Anteil für das Silikon.
Second-Hand-Plantat: Wenn bei der Operation ein Plantat verwendet würde, das Diemer schon einmal einer anderen Frau eingesetzt hatte, das von deren Körper aber abgestoßen worden war, ließe sich der Preis um 1.300 Mark reduzieren.
Diemer ließ gestern seinen Anwalt Hans-Georg Schotte für sich sprechen. „Führen Sie nicht so saudümmliche Gespräche“, habe er Diemer nach der Sendung gesagt, berichtet Schotte. Die von RTL erhobenen Voprwürfe weist Schotte aber zum größeren Teil zurück. Es handele sich um eine „skandalöse Recherche“ und ein „übles Machwerk“, mit dem ein unbescholtener Bremer Bürger und bundesweit seit Jahrzehnten anerkannter Chirurg fertiggemacht werden solle. Schotte mutmaßt, daß RTL aus dem Kreis von Konkurrenten auf den Bremer Schönheitschirurgen angesetzt worden sei.
Das Schwarzgeldangebot bezeichnete Schotte als „mißlich“. „Das bleibt hängen“. Zu dem Kassenbetrug habe das Pärchen Diemer verleiten wollen. Dieser habe mehrmals darauf hingewiesen, daß eine Schönheitsoperation nicht kassenfähig sei und er selbst seine kassenärztliche Zulassung bereits vor vier Jahren zurückgegeben habe. Das Angebot, bereits benutztes Silikon einzusetzen, habe Diemer erst beim dritten Gespräch gemacht, nachdem das Pärchen weiter um günstigere Konditionen für die Operation nachgefragt hatte. „Okay, ich habe hier noch ein Plantat, das passen könnte“, habe Diemer da gesagt. Diemer habe keine Bedenken, ein solches gebrauchtes Plantat nach gründlicher Sterilisation noch einmal zu verwenden. Schotte: „Er hätte aber Bedenken, es dann noch ein zweites Mal zu sterilisieren und zu verwenden.“ Auch Herzschrittmacher würden schließlich mehrmals benutzt.
„Man kann das nicht mit einem Herzschrittmacher oder einem Rollstuhl vergleichen“, meinte dagegen der Geschäftsführer der Bremer Ärztekammer, Werner Arens. Bei Brustoperationen handele es sich um einen „hypersensibelen Bereich“. Die Ärztekammer will nun prüfen, ob sie aus berufsrechtlichen Gründen gegen Diemer vorgehen wird. „Hat er sich unärztlich verhalten?“, so die Fragestellung. Wenn der Vorstand der Ärztekammer nach Anhörung Diemers zu diesem Schluß kommt, könnte die Kammer der Gesundheitsbehörde empfehlen, dem Chirurgen die Approbation zu entziehen. Arens erster Eindruck nach der Sendung: „Ein harter Fall.“ Es sei auch nicht auszuschließen, daß „die Geschichte mit Dr. Diemer alleine nicht fertig ist.“ Für Arens ist am Fall Diemer besonders problematisch, daß anscheinend eine medizinische Beratung, die bei einem solchen Fall an erster Stelle zu stehen habe, überhaupt nicht erfolgt sei.
„Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß sich die Ärzteschaft insgesamt ethischer verhält als andere berufliche oder gesellschaftliche Gruppen“, schlußfolgerte Hermann Schulte-Sasse für die Liste Gesundheit aus dem Fall Diemer. Die mangelnde Transparenz ärztlichen Handelns schaffe eine niedrige Schwelle für medizinisch fragwürdige, aber einträgliche Entscheidungen. Die Strukturen des ambulanten Medizinbetriebes müßten so geändert werden, daß ärztliches Fehlverhalten nicht länger gefördert werde. Schulte-Sasse: „Eine ausschließlich berufsrechtliche Reaktion, die den betroffenen Arzt zur Verantwortung zieht, ist deshalb unzureichend.“ hbk
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