■ Mit ihrem Roman „Die Päpstin“ hat die Amerikanerin Donna W. Cross einen Bestseller geschrieben: Welterfolg zwischen Quellenstudium und purem Kitsch
Im Winter des Jahres 814 kommt ein Kind zur Welt, das die katholische Kirche auf den Kopf stellen wird: Johanna, die einzige Frau auf dem Heiligen Stuhl. Die Geburt ist schwer, für Mutter und Kind lebensgefährlich. Unwirsch und ärgerlich wird Johanna von ihrem Vater, einem Dorfpriester, empfangen. Ein Mädchen ist nicht das, was er erwartet hat.
Die US-amerikanische Romanautorin Donna W. Cross läßt ihre Heldin Johanna von Ingelheim zwischen zwei Extremen aufwachsen: Von ihrer heidnischen Mutter lernt sie Lebensweise und Gottheiten ihrer germanischen Vorfahren kennen und schätzen; der strenge Vater erzieht sie in einem christlichen Glauben, der Frauen und Mädchen entmündigt. Schnell erfaßt sie die Widersprüche. Von ihrem ältesten Bruder lernt sie heimlich Lesen und Schreiben. Als ein Gelehrter ihre Fähigkeiten erkennt, wird sie – trotz heftiger Widerstände seitens ihrer Eltern – seine Schülerin. Sie lernt Latein und Griechisch, studiert die Heilige Schrift und Werke griechischer Philosophen. Um die Domschule besuchen zu können, flieht sie von zu Hause. Im Bischof von Dorstadt findet sie schließlich einen Fürsprecher und Förderer. Doch ihr Erscheinen an der Domschule löst Unruhe und Widerstände aus. Ränke werden geschmiedet. Der Bischof, Opfer einer Erpressung, läßt seinen Zögling fallen. Man trifft Vorbereitungen, Johanna mit dem Sohn des Dorfschmieds zu verheiraten.
Als Junge verkleidet, flüchtet Johanna nach Fulda ins Benediktinerkloster. Endlich steht ihren Studien nichts mehr im Weg. Im Kloster eignet sie sich ein umfangreiches medizinisches Wissen an. Diese medizinische Ausbildung wird ihr später die Tore zum Vatikan öffnen, wo sie Leibarzt von Papst Sergius II. und später Berater und Minister für Wohlfahrt im „Kabinett“ von Papst Leo IV. wird. Nach Leos Tod wird die verkleidete Johanna zum neuen Papst gewählt und nennt sich fortan Papst Johannes.
Dann der Skandal: Während einer Osterprozession in Rom kommt Papst Johannes auf der Via Sacra mit einer Frühgeburt nieder und stirbt vor den Augen der schockierten Öffentlichkeit. Eine Legende? Oder wurde die Päpstin aus den Annalen des Vatikans gelöscht? Im Roman hat Donna W. Cross die Frage gelöst: Ihre Hauptfigur hat zwei Jahre lang, von 853 bis 855, als erste und bislang einzige Frau die Christenheit regiert. Der Bestseller basiert auf umfangreichen Quellenstudien der Autorin. Im Nachwort ihres Romans betont sie jedoch, daß es weder einen gesicherten Beweis für die Existenz der Päpstin noch einen Beweis ihrer Nicht- Existenz gebe. Auch leugnet sie nicht, die recherchierten historischen Fakten an die Spannungsbögen des Romans angepaßt zu haben. Ohne Kitsch kein Bestseller: Um die Frühgeburt auf der Via Sacra in Rom zu erklären, mußte eine Liebesgeschichte her. Den meisten Chroniken nach war die Schwangerschaft das Resultat einer intimen Beziehung mit einem Kammerherrn oder Hofbeamten im Papstpalast.
Eine Variante, die der Romanautorin wenig stimmig erschien: „Wie kann eine Frau, die so weit gekommen ist, wegen eines hübschen Höflings alles riskieren?“ Also gab Cross ihrer unfehlbaren Heldin einen unerschrockenen Ritter mit auf den mühsamen Weg nach Rom. Zum Schluß schwelgt Johanna nach allen Regeln romantischer Gefühlsseligkeit in einer doch noch erfüllten Leidenschaft.
In Deutschland hält sich der Roman seit zwei Jahren in den Bestsellerlisten. Allein von der Hardcoverausgabe wurden bisher über 140.000 Bücher verkauft, in der Taschenbuchausgabe sind es nach sechzehn Wochen fast 400.000 Exemplare. Michaela Eck
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