: Mit erigiertem Fahrrad nach Frankreich Von Ralf Sotscheck
Es gibt Wochenenden, da bleibt man am besten zu Hause. Das vergangene Wochenende gehört in diese Kategorie. Die irische Präsidentin Mary McAleese hatte vorgestern abend eine Abordnung vom Oranier-Orden in den Präsidentenpalast im Dubliner Phoenix Park eingeladen, um mit ihnen den 308. Jahrestag der Schlacht am Boyne zu feiern. Es war ein Trick: Weil die erste Etappe der Tour de France gestern im Park endete, hatte man die Tore bereits am Vorabend geschlossen, und jeder anrückende Oranier mußte dem wachhabenden Polizisten glaubhaft machen, warum er durch das Tor mußte. Der Rückstau der Autos gab der Stadt, von der weite Teile wegen der Radler seit Tagen abgesperrt sind, dann den Rest.
Der Oranier-Empfang war Teil von McAleeses Initiative „Building Bridges“ – seit ihrer Wahl letztes Jahr schnattert sie unentwegt vom Brückenbau zwischen Nord und Süd, Oben und Unten, Orange und Grün. Die Dubliner Stadtverwaltung nahm das wörtlich und errichtete im Stadtzentrum Hunderte von Fußgängerbrücken, die auch die schmalste Gasse überqueren. Das gehörte freilich ebenfalls zur alles beherrschenden Tour de France, und die Einheimischen konnten froh sein, daß sie nicht nach Van Diemens Land evakuiert wurden.
Heute landet die Tour-Karawane in Cork, von wo sie in Booten nach Frankreich übersetzt. Ein Tip für ein Souvenir, denn soviel Zeit muß sein: ein Beutelchen Viagra, die Wunderdroge gegen Impotenz. Im Hafen von Cork steht nämlich das Pfizer-Werk, wo der Grundstoff, Sildanefil-Zitrat, hergestellt wird. Das Pfizer-Werk ist gesichert wie Fort Knox, seit die Produktion anlief. Werksbesichtigungen sind gestrichen, die 300 Angestellten haben Interview-Verbot. Man will nicht den Eindruck erwecken, als sei man scharf auf kostenlose Reklame. Als ob das nötig wäre.
Kein Medikament hat sich in den USA so schnell verkauft wie Viagra. In anderen Ländern, wo Viagra noch nicht zugelassen ist, zahlen Männer per Internet-Shopping oder auf dem Schwarzmarkt umgerechnet 40 Mark pro Tablette. In Irland sind Fälschungen auf dem Markt, die alle möglichen Nebenwirkungen haben, bloß keine Erektion. Aber auch das echte Produkt scheint Nebenwirkungen zu haben, wenn die Berichte über sechs amerikanische Viagra-Kunden stimmen, bei denen nach Einnahme der blauen Tablette eine Ganzkörpererektion – oder Leichenstarre – eintrat.
Doktor McDermott, der Viagra an irischen Männern testete, hält die Pille für harmlos. „Man muß die Leute aufklären“, sagte er. „Wenn man 60 ist, übergewichtig und unsportlich, und dank Viagra hat man die erste Erektion seit fünf Jahren, dann ist das ein enormer Streß.“ Aber Viagra verschaffe einem nur dann eine hübsche Erektion, wenn man sexuell stimuliert werde, und dafür sei nun mal das Gehirn zuständig. „Manche Leute glauben, Viagra verwandelt sie in Supermann. Das tut es nicht.“
In Irland soll Viagra zum Jahresende auf den Markt kommen. Ob es aber gegen die irische Wunderdroge Guinness bestehen kann? Die verwandelt einen zwar auch nicht in Supermann, sondern in einen Fettwanst mit Alkoholfahne, aber der braucht dann auch kein Viagra mehr. Ein Ire schiebt angeblich eh zehn schöne Frauen beiseite, um an sein Bierglas zu kommen.
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