■ Mit der Osteuropabank auf du und du: Moralisches Atomgeld
London (taz) – Seit gestern tagt in London die Jahresversammlung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE). Die 370 Delegierten aus den 59 an der Bank beteiligten Ländern wollen unter anderem über eine Kapitalerhöung beraten. Kredite in Höhe von etwa zehn Millarden Mark sind bisher in 250 Projekte in Osteuropa geflossen, darunter in die Nachbesserung der Atomkraftwerke in Ignalina (Litauen) und Koslodui (Bulgarien). Die 412,5 Millionen Mark für das Projekt in Mochovce wären der größte Einzelkredit, den die Bank jemals vergab. Weniger das Geld als vielmehr sein Zweck trennt die Direktoren in zwei Lager. Die Gegner sind in der Minderheit, dazu zählen die Österreicher, die Dänen, Holländer und Norweger. Die offizielle Haltung der EBWE ist eindeutig pro Mochovce. „Es macht Sinn“, sagt Vizepräsident Thierry Baudon, „daß eine Einrichtung mit einem eindeutigen Umweltmandat in das Projekt einbezogen ist, obwohl von Anfang an klar war, daß dieses Engagement sehr kontrovers beurteilt werden wird.“
Alain Pilloux, verantwortlich für die Finanzierung des Projektes, spricht sogar von einer moralischen Verantwortung der Bank, bei der Fertigstellung des AKW beteiligt zu sein. Sein Hauptargument ist, daß „sachlich davon ausgegangen werden muß, daß in verschiedenen Ländern Osteuropas ein bedeutender Teil der Elektrizität von Atomkraftwerken bezogen wird und keines dieser Länder für die nächsten Jahre ernsthaft erwägt, an dieser Tatsache etwas zu ändern – ob wir es mögen oder nicht.“ Im Fall der Slowakei existiere nunmehr die einmalige Chance, die ersten beiden Einheiten von Mochovce auf westliche Sicherheitsstandards zu bringen und gleichzeitig zwei Reaktoren älterer Bauart im AKW Bohunice zu schließen – eine der Vorbedingungen für die Finanzierung durch die EBWE. Zudem sei das die billigste ökonomische Variante für die Slowakei, so daß es für die EBWE keinen Grund gebe, beiseite zu stehen.
Die Europäische Investitionsbank (EIB) alledings, die traditionellerweise Euratom- Kredite abwickelt, kommt zu einem ganz anderen Ergebnis. Konventionelle Gaskraftwerke wären günstiger, heißt es in einer im Auftrag der EU-Kommission angefertigten Studie.
Die Befürworter des Mochovce-Atomprojekts verweisen denn auch lieber auf Sicherheitsbedenken, statt auf den wirtschaftlichen Nutzen. Unmißverständlich haben die Slowaken wissen lassen, daß sie auch ohne westliche Hilfe das Projekt zu Ende führen werden. Der russische Ministerpräsident Tschernomyrdin hatte während seines Besuchs im Februar technologische Unterstützung in Höhe von 150 Millionen Dollar, Know-how, Brennstoff und weitere Hilfe versprochen. Auch von acht anderen Finanzinstitutionen, sagt Imrich Szitas, Direktor beim Slowakischen Wirtschaftsministerium, gebe es Kreditangebote.
Mochovce, das ist die klare Aussage der Slowaken, wird so oder so gebaut. In der russischen Variante werden die westlichen Sicherheitsnachbesserungen entfallen, und außerdem wird die Slowakei noch weniger als heute verpflichtet werden können, das Werk in Bohunice zu schließen. Kathrin Singer
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