Mit der Grünen Woche auf Du und Du: Größer, schöner, bunter
Berlin (taz) – „Die wahren Grünen sind wir Bauern“ sagt der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, deswegen veranstalten Bauern, Ernährungsindustrie und Gartenbau jedes Jahr eine große Show, um zu zeigen, wie die Landwirtschaft meistens nicht ist: die Grüne Woche in Berlin. Heute startet sie in Berlin zum 65. Male, größer, schöner und bunter als je zuvor, glaubt man den Veranstaltern. 58 Länder aus allen Kontinenten sind dieses Jahr vertreten, insgesamt 1.648 Aussteller auf 114.000 Quadratmeter Fläche, von der Kakteengärtnerei über den Schnapsproduzenten bis zum Biokäse.
Schmankerl fürs idyllenhungrige Publikum sind diesmal der „Erlebnisbauernhof“, wo „Rinder in einer zeitgemäßen Aufstallung“ stehen und „Schweine mit ihren Ferkeln in großen Buchten“, und die Sonderschau „Tiere in ihren Landschaften“, von der Nordseeküste bis zu den Alpen, aber in einer Halle.
Viele, viele Veranstaltungen, gehören natürlich auch wie jedes Jahr dazu, darunter Zuckerbäcker und das „Quiz rund um die Rübe“, nur leider keine Demonstration in :„Wie schlachte ich das Kalb?“ Dafür soll der Dialog gefördert werden: Bei verschiedenen Hallenforen wird über den Lebensmitteleinzelhandel, neue Erkenntnisse zum Einsatz von Obst und Gemüse im Kampf gegen Tumore oder Ergebnisse aus der Praxis zur Verbesserung der Obst- und Gemüsequalität durch mobile CA-Technik debattiert.
Hinter den schönen, bunten Kulissen und in Wahrheit gibt die Grüne Woche den Förderern endlich Gelegenheit, sich öffentlich gründlich über alles das zu beschweren, was sie im letzten Jahr nicht an den Mann bringen konnten: die ungerechte Ökosteuer, die dem gebeutelten Landwirt nur schadet und nicht nützt. Oder die Sparbeschlüsse der Bundesregierung, die nach Ansicht von Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, vor allem kleine und mittlere Betriebe belasten und daher revidiert werden müssten. Ärgerlich seien ferner die viel zu niedrigen Preise im Lebensmittelhandel, die den Bauern dazu zwingen, Tiere zu behandeln, wie er es nicht tun soll, die schlechten Preise bei Schwein, Rind und Milch.
Nur über eins motzt keiner mehr: über die Sonderlinge, die Ökos, die mit ihrem Biomarkt wieder einen Hit in Halle 1.2 landen. Der Biomarkt ist eine ein ganz klein bisschen wachsende Branche, der selbst Sonnleitner mit äußerstem Wohlwollen gegenübersteht. Ist ja auch nicht gefährlich, die Ökos besetzen ja nur rund zwei Prozent der Anbaufläche.
Die größte Agrarmesse der Welt öffnet heute Mittag ihre Pforten für das Publikum. Eine Erwachsenen-Tageskarte kostet 20 Mark. mra/ck
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