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Mit der Gleichberechtigung auf Du und DuBehinderte fordern Gleichstellung europaweit

■ JuristInnen tagen in Syke: Antidiskriminierung in die Maastrichter Verträge

„Wir wollen Standards setzen, die sicherstellen, daß behinderte Menschen überall in Europa gleiche Chancen erhalten“, sagt Horst Frehe, Vorsitzender des Europäischen Netzwerkes für ein Selbstbestimmtes Leben Behinderter (ENIL) und Vorsitzender des Bremer Vereins Selbstbestimmt Leben. Zu diesem Zweck tagen behinderte JuristInnen aus Dänemark, Deutschland, England, Irland, Italien, Österreich und der Schweiz seit gestern in Syke bei Bremen. Noch bis Sonntag werden die TeilnehmerInnen Vorschläge diskutieren und für die Selbstbestimmt Leben-Bewegung in Europa eine verbindliche Position erarbeiten. Diese soll in das EU-Parlament, die EU-Kommission und über die nationalen Regierungen auch in den EU-Ministerrat eingebracht werden.

Damit wollen die TeilnehmerInnen Einfluß nehmen auf die 1996 in Dublin anstehende Überarbeitung der Maastricher Verträge. Hier bestehe einiger Nachholbedarf. „In der jetzigen Fassung“ der 1992 geschlossenen Maastricher Verträge werden „weder behinderte Staatsbüger erwähnt, noch gibt es dort irgendwelche Bestimmungen, die den Bedürfnissen Behinderter gerecht werden, heißt es in dem Diskussionsspapier zur Tagung. In vielen europäischen Ländern seien Behinderte noch heute vom gesellschaftlichen Leben weitgehend ausgeschlossen und Diskriminierung weit verbreitet. Dabei gäbe es kaum rechtliche Mittel, die Opfer zu schützen.

So ist eine Forderung die Aufnahme eines Diskriminierungsverbots in die Maastricher Verträge. Dieses sollte nicht nur auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt sein. Neben dem Bereich Beschäftigung seien zum Beispiel auch bei der Telekommunikation und bei den öffentlichen Verkehrsmitteln eine Gleichstellung von behinderten Menschen vonnöten.

Konkret hieße das: Übersetzungsdienste für Gehörlose beim Telefonieren, das Angebot von Gebärdensprache beim Fernsehen oder WC-Kabinen für RollstuhlfahrerInnen in Eisenbahnen. Technische Vorraussetzungen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, aber in den meisten EU-Ländern fehlten. Weiterhin sei der Verlust von Pflegeleistungen beim Überqueren der Grenzen des Heimatlandes eines der größten Hindernisse für Behinderte. Die gegenseitige Anerkennung von Leistungsansprüchen sei somit wesentlich für die freie Arbeitsplatz-wahl behinderter Arbeitnehmer.

Weitere Forderungen reichen von der Beschäftigungspflicht von Behinderten, gleichen Arbeitsbedingungen in der EU über die Abfassung eines jährlichen Sozialberichtes zur Situation der Behinderten in den EU-Ländern bis hin zur Einrichtung eines Sozialfonds für Leistungen die ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.

Was die Umsetzung der Anliegen betrifft ist Horst Frehe optimistisch. Schon einmal ist Selbstbestimmt Leben Deutschland ein Coup geglückt. Nach nur zwei Jahren Vorbereitungszeit wurde ein Benachteiligungsverbot Behinderter ins deutsche Grundgesetz aufgenommen worden. re

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