■ Mit der Geldmenge auf du und du: Vergeßt M3!
Frankfurt/Main/Berlin (dpa/ taz) – Wieviel Geld braucht die Republik im nächsten Jahr? Die allweihnachtliche Entscheidung darüber, um wieviele Prozentpunkte die Geldmenge wachsen darf, wird dem Zentralbankrat, dem obersten Entscheidungsgremium der Bundesbank, an diesem Donnerstag besonders schwerfallen. Das sogenannte Geldmengenziel dient der Bundesbank als Richtschnur für ihre Zinspolitik. Doch diese haben die Notenbanker 1992 ziemlich weit aus den Augen verloren.
Angepeilt hatten die Währungsstrategen für 1992 eine Ausdehnung der Geldmenge M3 zwischen 3,5 und 5,5 Prozent. (Zu M3 gehören Bargeld, Sichteinlagen, Termingelder unter vier Jahren und Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist.) Zuletzt lag die Expansion mit einer Jahresrate von gut zehn Prozent um fast das Doppelte über der Zielvorgabe. Allerdings trifft der Plan ohnehin selten die Realität: Seit 1975 wurde das Geldmengenziel zehnmal eingehalten, achtmal verfehlt.
Ein realistisches Ziel zu bestimmen fällt vor allem deshalb schwer, weil niemand so richtig weiß, wie sich die Wirtschaft der Bundesrepublik 1993 entwickeln wird. Wenn es beim prognostizierten Null-Wachstum bleibt, würde eine schnell wachsende Geldmenge nur die Inflation beschleunigen. Andererseits soll, wenn denn das Bruttosozialprodukt doch noch wachsen sollte, genügend Geld fürs Wirtschaftswachstum vorhanden sein. Folgen die Währungshüter den Empfehlungen von Sachverständigen und Bankexperten, dann wird die neue Zielgröße zwischen vier und sieben Prozent liegen.
Die Experten sind sich zudem einig, daß die Bundesbanker bei der Vorgabe für 1992 selbst zum eigenen Mißerfolg beitrugen. So wurde die vom Zentralbankrat unterstellte „unvermeidliche“ Preissteigerung für 1992 realitätsfern mit zwei Prozent angesetzt. Im November lag die Inflationsrate nach vorläufigen Berechnungen bei 3,7 Prozent.
Zum anderen haben die Währungshüter mit ihrer Politik des teuren Geldes den Sparern geradezu massenhaft den Umstieg in hochrentierliche, kurzfristige Terminanlagen nahegelegt. Folge dieser Umschichtungen war, daß sich M3 übermäßig aufblähte. Auch der Kredit- Boom, angeheizt durch staatliche Zinssubventionen, machte den Notenbankern einen Strich durch die Geldmengen-Rechnung, wie auch zuletzt die massiven Kapitalzuflüsse infolge der EWS-Turbulenzen. Etliche Wirtschaftsexperten haben darum in letzter Zeit der Bundesbank geraten, die Rechengröße M3 nicht länger für das Maß aller Geld-Dinge zu halten.
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