■ Mit der Bahnreform auf du und du: Zug ist abgefahren
Berlin (taz) – Nun geht alles seinen kapitalistischen Gang. Bei der Sitzung der Ministerpräsidenten in Mainz steht die Bahnreform auf der Tagesordnung. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Landesväter das Signal für die Umwandlung der Behörde in drei Aktiengesellschaften auf Grün schalten.
Auf dem Tisch liegt ein Papier, das von den hierbei federführenden Ländern Hessen und Baden-Württemberg ausgearbeitet wurde. Quintessenz: Bei beiden Punkten, die die Länder bisher als Voraussetzung für ihre Zustimmung zur Grundgesetzänderung bezeichneten, knicken sie ein. Die Rechnung müssen die NutzerInnen der Nahverkehrszüge begleichen.
Zwar weisen die beiden Landesregierungen erneut darauf hin, daß der Bund 14 Milliarden Mark für die Regionalisierung der Bahn an die Länder überweisen müßte, damit der Nahverkehr weiter finanzierbar ist. Aber sie machen ihre Zustimmung nicht mehr von diesem Geld abhängig. Anscheinend wollen sie sich jetzt mit dem Angebot der Bundesregierung arrangieren: Fortzahlung der 6,28 Milliarden Mark im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes auch nach 1995, nur 7,7 bzw. 8 Milliarden Mark Ausgleichszahlung sowie 1,5 Milliarden Mark für Investitionen in den ersten Jahren.
Der zweite Streitpunkt betrifft die Verantwortung für den Fahrweg. Verkehrsminister Wissmann will das Schienennetz, genau wie den Güter- und Personenverkehr, einer Aktiengesellschaft übertragen. Wenn es aber nur noch um Rentabilität geht, werden viele Nebengleise stillgelegt werden. Muß ein Nahverkehrszug mit einem lukrativen Intercity um günstige Fahrtzeiten konkurrieren, bleibt er auf der Strecke.
Der Ländervorschlag sieht vor, daß eine AG die Nutzung der Fahrwege übernimmt. Die Verantwortung für Bau und Reparatur der Schienen aber soll weiter der Bund tragen. Weder Umweltgesichtspunkte noch das Ziel gleicher Lebensverhältnisse sollen dabei eine Rolle spielen. Im Grundgesetz festschreiben wollen die beiden Landesväter lediglich eine Orientierung an „Verkehrsbedürfnissen“ – und die sind weit interpretierbar.
Aber die Kompromißbereitschaft der Länder geht Klaus Daubertshäuser, SPD-Mann im Verkehrsausschuß des Bundestages, nicht einmal weit genug. Im Ausschuß habe man sich mit der CDU/CSU verständigt, daß alle Verantwortung für die Schienen künftig bei der AG liegen solle. Diese Einigung solle doch – bitte schön – nicht gefährdet werden. Annette Jensen
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