: Mit der Armee gegen Bauern
■ In Honduras weiß heute niemand mehr genau, wieviel Land die Tochtergesellschaft des Chiquita-Konzerns besitzt
Berlin (taz) – Am 5. Februar wurde auf der Chiquita-eigenen Finca Tacamiche in Honduras ein seit bald zwei Jahren schwelender Streit gewaltsam beendet. Mit Unterstützung des Militärs wurden 400 landlose Bauern von einem bereits aufgegebenen Stück Land vertrieben.
Im Sommer 1994 hatte die Tela Railroad Company, das honduranische Tochterunternehmen der Chiquita Brands Company, beschlossen, drei unproduktive Fincas in der Nähe von San Pedro Sula zu schließen. 250 ArbeiterInnen wurden entlassen. Sie und ihre Familien begannen das Land zu besetzen und es zur Sicherung ihres Auskommens zu bebauen. EinJahr später, im August 1995, brach der Konflikt offen aus. 500 bewaffnete Soldaten schritten, von der Regierung toleriert, gegen die BesetzerInnen ein. Das war auf Drängen der Tela geschehen, die befürchtete, einen Präzendenzfall zu schaffen. Den ArbeiterInnen wurde ein Abkommen mit der Regierung für Ende September in Aussicht gestellt; eine Einigung kam aber nicht zustande.
Jetzt ist der Konflikt von neuem aufgeflammt. Obwohl es bis heute keine endgültige richterliche Entscheidung zu dem Fall gibt, schritten am 1. Februar Soldaten und Polizisten gegen die Bauern auf Tacamiche ein. 104 Holzhütten wurden zerstört, 250 Landlose versuchten sich in zwei Kirchen zu schützen. Doch umstellte das Militär die Zufluchtsorte und schnitt die Familien fünf Tage von Wasser, Strom und Nahrung ab. Nur das Rote Kreuz hatte noch Zutritt. Rafael Alegria, Vertreter der Nationalen Landarbeitergewerkschaft CNTC: „Es war fast wie in einem Konzentrationslager.“
Erst am Nachmittag des 5. Februar wurde den Bauern gestattet, die Kirchen zu verlassen. Sie zogen in das nahe gelegene La Lima, bereit, ein Verhandlungsangebot der Regierung anzunehmen. Dort dürfen sie sich niederlassen, doch die von ihnen bestellten Felder in Tacamiche dürfen sie nicht mehr betreten.
Nach Aussage von Rafael Alegria handelte die Regierung auf Druck der Tela. Sie ist seit Anfang des Jahrhunderts im Land tätig, und selbst in Honduras weiß heute niemand mehr vollständig, wie viele der rund 50.000 von der Tela bewirtschafteten Hektar tatsächlich im Besitz der Gesellschaft sind. Allein eines steht fest: Ein Gutteil der Ländereien sind niemals an das Unternehmen verkauft worden.
Bereits Ende April kündigte die Tela Railroad mit Verweis auf die Besetzungen den Stopp weiterer Investitionen an. Die Regierung kann sich den Interessen des Multis nicht widersetzen. Boris Scharlowski
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