: Mit den Klischees gegen die Klischees
Der echte Hiphop ist immer eine Straßenecke entfernt: Für den schönen Konzertfilm „Dave Chappelle’s Block Party“ lud der berühmteste Comedian der USA Stars wie Erykah Badu, Common, The Fugees und Kanye West für ein Umsonst-und-draußen-Konzert in Brooklyn ein
VON TOBIAS RAPP
Ein wenig kommt es einem vor wie eine Demonstration, und das soll es wohl auch sein: Ganz viele Menschen aus ganz vielen Gegenden machen sich zu Beginn von „Dave Chappelle’s Block Party“ auf den Weg. Manche haben von Freunden gehört, dass es da irgendwo in Brooklyn dieses Umsonst-und-draußen-Hiphop-Konzert geben soll, andere wussten gar nichts davon, bevor Dave Chappelle sie einlud – so gerne und häufig sich im Hiphop seit jeher auf die realness des eigenen Tuns berufen wird, für den bekanntesten afroamerikanischen Komiker der USA ist es einfacher, eine Beziehung zu den Stars aufzubauen, als zu denen, die unten auf der Straße stehen. Ein schöner Anfang also: Die Künstler gibt es schon, das Publikum fehlt noch.
Eine Block Party soll es werden, wie in der Frühzeit des Hiphop, als der Strom noch illegalerweise aus Laternenmasten gezogen wurde und Rap eben noch kein Milliardengeschäft war, sondern eine übersichtliche Nachbarschaftsangelegenheit. Das ist das Versprechen, mit dem Chappelle sie alle lockt, die marching band aus Ohio, den rappenden Kellner aus der Nachbarstraße, die Kioskbetreiberin aus dem Vorort, in dem er selbst wohnt. Es ist so überzeugend, weil die Künstlerinnen und Künstler, die auf der kleinen Bühne auftreten sollen, samt und sonders aus dem Conscious Rap und Neo Soul kommen. Jenen Spielarten des Hiphop und R & B also, deren Protagonisten seit jeher auf Pflege der Tradition und das Wissen um die soziale Verantwortung des Künstlers setzen.
Und es ist eine Mogelpackung – was alle wissen und den Film so interessant macht. Denn neben all der Schönheit, die einem dieser Film auch auf den Weg gibt – die großartig durchgedrehte Erykah Badu mit ihren brillantenbesetzten Schneidezähnen, wie sie sich ihre riesige Afro-Perücke vom Kopf reißt, die für ein Konzert wieder vereinigten Fugees, die „Killing Me Softly“ spielen, Badu und Jill Scott, wie sie zusammen die Background Vocals des Klassikers „You Got Me“ singen, die schönen Gegenschnitte, wie Chappelle mit dem Rapper Mos Def als Sidekick die gleichen Gags probt und auf die Bühne bringt –, ist „Dave Chappelle’s Block Party“ eben auch Beschreibung, wie sich mitten im medienindustriellen Komplex eine Plattform für das eigene Anliegen bauen lässt. Wie sich mit den Klischees gegen die Klischees arbeiten lässt.
Da gibt es die Chefin der nahe gelegenen Kita, die gerne das Dach des Hauses für das Kamerateam hergibt und wie nebenbei noch auf die Schwierigkeiten eines chronisch unterfinanzierten öffentlichen Bildungssektors hinweist (und auf die prominenten Rapper, die hier als Kinder gespielt haben). Es gibt die militante New Yorker Rap-Gruppe Dead Prez, die Fred Hampton Jr. auf die Bühne bitten, den Sohn des legendären Chicagoer Black-Panther-Aktivisten, der 1969 von der Polizei erschossen worden war, und mit ihm Freiheit für die politischen Gefangenen fordern. Die marching band freut sich über die Sichtbarkeit, die ihrAuftritt in einem solchen Film bedeutet. Am allermeisten gilt dies natürlich für Dave Chappelle selbst, dessen Talent als Komiker ja gerade in seiner brillanten Selbstreflexivität besteht, seiner Fähigkeit, all die Widersprüche, die es auszuhalten gilt, wenn man der „funniest man in America“ ist, immer mitzuerzählen.
Der Film ist auch sein Versuch, Bodenhaftung zu gewinnen und der Ruhmessphäre zu entkommen – 55 Millionen Dollar wird Chappelle kurz nach Abschluss der Dreharbeiten für einen neuen Vertrag angeboten werden. Er weigert sich zu unterschreiben und wird ein halbes Jahr später die Dreharbeiten zur dritten Staffel seiner „Chappelle Show“ abbrechen und nach Afrika verschwinden – zur „spirituellen Reinigung“.
„Dave Chappelle’s Block Party“. Regie: Michael Gondry. Mit Dave Chappelle, Erykah Badu, Mos Def, Lauryn Hill, Kanye West, Jill Scott, Wyclef Jean, Fred Hampton Jr., USA 2005, 103 Min.