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Mit dem Zug nach Bali (Teil II)Nord-Süd-Konkurrenz am Aralsee

Nach 4.100 Kilometern hat der taz-Reporter den Aralsee erreicht. Seit der einst viertgrößte Binnensee der Erde immer mehr schrumpft, kämpfen die Anwohner um jeden Tropfen Wasser.

Fischer auf dem Aralsee.

TASTÜBEK taz Auf die Frage, wie der Fang war, brummt Sakosch Kikbeib bloß. Seit den Morgenstunden ist er unterwegs, am Nachmittag liegt ein gutes Dutzend Zander im Boot. Dazwischen zappeln ein paar Flundern. Kikbeib blickt aufs Meer und sagt: "Nu tak: Normalno!" Ein ganz normaler Fang.

Bild: taz

Nick Reimer ist Redakteur im Ressort Wirtschaft und Umwelt der taz. Zum Welklimagipfel im Dezember hat er sich mit dem Zug Richtung Bali aufgemacht.

SERIE: ZUG UM ZUG NACH BALI

Fliegen ist die klimaschädlichste Art der Fortbewegung. Trotzdem nutzen Anfang Dezember rund 6.000 Diplomaten, Wissenschaftler, Minister, Lobbyisten, Klimaschützer und Journalisten diesen Weg, um auf die indonesische Insel Bali zu gelangen. Dort findet vom 3. bis 14. Dezember der nächste Weltklimagipfel statt. Wer von Deutschland nach Bali fliegt, verbraucht 4,4 Tonnen Kohlendioxid - soviel wie fünf Inder in einem Jahr. Ist der Zug eine Alternative? Welche Rolle spielt der Klimawandel im Alltag? Ist Klimapolitik ein Wohlstandsphänomen? Einmal in der Woche schickt Nick Reimer seine Eindrücke

Früher ist Kikbeib mit riesigen Trawlern auf das Aralskoje Morje, den Aralsee, gefahren. Seine Fischgenossenschaft belieferte fast die gesamte Sowjetunion, jedes Kind wollte Fischer werden. Heute rudert Kikbeib allein hinaus. Viele seiner ehemaligen Kollegen züchten Kamele.

Nirgendwo sonst hat der Mensch das lokale Klima derart aus dem Takt gebracht wie in Zentralasien. Bis in die 1960er-Jahre hinein war der Aralsee das viertgrößte Binnenmeer der Erde, fast so groß wie Bayern. Dann aber ersannen die Sowjets einen gigantischen Plan: Um weltgrößter Exporteur von Baumwolle zu werden, gruben sie 700.000 Kilometer Bewässerungskanäle in die Steppen Kasachstans und Usbekistans - und damit dem Syr-Daria und dem Amu-Daria das Wasser ab. Weil damit die beiden einzigen Zuflüsse allmählich versiegten, sank der Pegel des Aralsees. Seine Fläche schrumpfte auf ein Viertel zusammen. Heute sind nur drei kleinere Seen geblieben: zwei im Süden, einer im Norden.

Dusbai Sitmenbetow gehörte früher zur Leitung der Fischereigenossenschaft. Jetzt ist er eine Stunde aus Tastübek hergefahren, um Kikbeibs Fang abzuholen. Muschelschalen knirschen unter seinen Gummistiefeln. Der 55-Jährige zeigt nach oben: "Dort an der Klippe stand der See in meiner Jugend." 37 Meter Höhe hat er seitdem verloren.

In manchen Gegenden Usbekistans ist die Küstenlinie um 150 Kilometer zurückgewichen. Mitten in der Steppe rosten nun Schiffsrumpfe vor sich hin. "Na komm schon", sagt Sitmenbetow. "Ist doch nicht so schlecht, dein Fang." Kikbeib brummt.

Der kleiner werdende Aralsee hat noch eine weitere Folge: Jahrhundertelang verdunstete hier das Wasser, das dann über den Bergen des Tientschans als Niederschlag herunterkam. Nun bleibt dieser Regen aus, der Hunger nach Wasser steigt: Wurden 1960 noch 4,5 Millionen Hektar künstlich bewässert, waren es im 2000 schon 8 Millionen Hektar. Auch das dafür benötigte Wasser fehlt dem Aralsee.

Wo die Fischer einst reichen Fang einfuhren, schimmern heute vielerorts Salzkrusten. Der hohe Salzgehalt des Sees ist durch die Baumwolllandwirtschaft entstanden, die gigantische Mengen Pestizidrückstände über die ehemaligen Zuflüsse hineinspülte. Untersuchungen der Universität Almaty ergaben, dass von diesen ehemaligen Seeböden allein zwischen 1970 und 1990 mehr als 2,8 Milliarden Tonnen Feinstaub, Sulfate und Chloride durch Stürme und Verwirbelungen in die Atmosphäre gelangten. Überall auf den Feldern Zentralasiens und sogar auf den Gletschern des Tientschans wurden Sand und Salz des Arals nachgewiesen. Sie richteten dort schwere Schäden an: Die Gletscher verkraften die Salzfracht nicht, ein rasanter Rückgang ihrer Eismasse ist die Folge.

"Es wird schon werden", sagt Sitmenbetow, als er die Fische in die mitgebrachten Ledertaschen füllt. Und obwohl nicht klar ist, was er meint: Zumindest für den Nordsee gibt es ein bisschen Hoffnung. Seit die Weltbank 2004 einen 84 Millionen Dollar teuren Damm finanzierte, steigt der Wasserstand wieder an. "7 Meter" sei das Wasser zurückgekehrt, sagt Sitmenbetow und lächelt zum ersten Mal. Ohne den Damm wäre das Wasser des nördlichen Zuflusses, Syr-Daria, nicht im Nordsee geblieben, sondern in die zwei anderen Seen geflossen. Die trocknen weiter aus. "Das ist gerecht. Unser Zufluss führt noch Wasser. Der bei den Usbeken nicht", sagt Sitmenbetow. "Warum soll unser Wasser in deren Seen fließen?"

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