■ Mit dem Wochenendticket auf du und du: Schummelei im Mai
Berlin (taz) – Nach wochenlangen juristischen Fingerhakeleien hinter den Kulissen bleiben bereits gekaufte 15-DM- Wochenendtickets nun doch bis Jahresende gültig – auch wenn sich morgen der Preis am Kartenschalter verdoppelt. Der Hauptgrund: Am 15. Mai dieses Jahres hatte die Deutsche Bahn im Amtsblatt verkündet, daß die 15-Mark-Tickets weiter gültig sein sollen. Diese Fahrkarten dann kurze Zeit später für ungültig zu erklären wäre, so heißt es im aufsichtführenden Bundesverkehrsministerium, mit dem Vertrauensschutz, den der Bahnkunde genießt, nicht vereinbar gewesen.
Die Planungen der Bahn, die billigen Wochenendtickets zu annullieren, hätten dem DB- Konzern aber noch aus ganz anderen Gründen Ärger machen können. Schließlich handelt es sich bei dem Ticketkauf um einen abgeschlossenen (Beförderungs-)Vertrag, genau wie wenn man eine Stereoanlage erwirbt. Genausowenig wie ein HiFi- Händler nach Abschluß des Vertrages einfach den Preis für das Gerät heraufsetzen kann, konnte auch die Bahn einfach nachträglich den Preis einseitig verdoppeln. Wenn sich Verkehrsunternehmen das Recht vorbehalten wollen, Fahrkarten zu annullieren, hätte darauf in den Tarifbestimmungen oder Beförderungsbedingungen hingewiesen werden müssen, meinen Juristen. Für das Wochenendticket der Deutschen Bahn AG fehlt eine entsprechende Klausel jedoch.
Offenbar weil juristisch nichts zu machen war, haben Angestellte der Bahn vor gut zwei Wochen zur Selbsthilfe gegen den stark genutzten Vorverkauf gegriffen. An vielen Schaltern wurde erklärt, die Tickets zu 15 Mark seien nach der Tariferhöhung ungültig und der Vorverkauf sei nicht mehr möglich. Viele Kunden waren dadurch abgeschreckt. Inzwischen erkennt man die Irrtümer. Bahnsprecher Hartmut Sommer: „Da sind Fehler passiert.“
Jetzt wird darüber nachgedacht, das teurere Wochenendticket ab 1996 als Regelangebot einzuführen. Es könnte dann als Erfolg in die wechselvolle Tarifgeschichte der Bahn eingehen. Schließlich ist es die Fahrkarte, bei der man keinen größeren Geldbetrag verliert. Burkhard Wutzke
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