■ Mit dem Wettbewerb auf du und du: Von Japan lernen ...
Vor langer Zeit verabredeten deutsche Unternehmer mit den Japanern, daß jedes Jahr ein Wettrudern auf dem Rhein ausgetragen werden sollte. Beide Achter-Mannschaften trainierten lange und hart, um ihre höchste Leistungsfähigkeit zu erreichen. Als der große Tag des Wettkampfes endlich da war, waren beide topfit. Die Japaner gewannen mit einem Kilometer Vorsprung.
Nach dieser Niederlage waren die deutschen Unternehmer sehr niedergeschlagen, und die Moral war auf dem Tiefpunkt. Gesamtmetall entschied, daß der Grund für diese vernichtende Niederlage unbedingt herausgefunden werden müsse. Ein Projekt-Team wurde eingesetzt, um das Problem zu untersuchen und geeignete Maßnahmen zu empfehlen. Die Untersuchung ergab: Das Problem war, daß bei den Japanern acht gutbezahlte Leute ruderten und ein etwas besser bezahlter Mann steuerte. Im deutschen Team ruderte ein Mann, während acht Leute steuerten, die zusammen über eine Million erhielten.
Gesamtmetall engagierte sofort eine Beratungsfirma, um eine Studie über die Struktur des deutschen Teams anzufertigen. Nach Kosten in Millionenhöhe und einige Monate später kamen die Berater zu dem Schluß: Es steuern zu viele Leute, und der Ruderer erhält ein zu hohes Urlaubsgeld.
Um einer Niederlage gegen die Japaner im nächsten Jahr vorzubeugen, wurde die Team- und Gehaltsstruktur geändert. Es gab jetzt vier besser bezahlte Steuerleute, drei Obersteuerleute mit Zusatztantiemen und einen Steuerungsdirektor, dem neben einem Millionengehalt Anteile am Boot versprochen wurden. Es wurde zudem ein Leistungsbewertungssystem eingeführt, um dem Mann, der das Boot rudern sollte, mehr Ansporn zu geben, sich noch mehr anzustrengen, ein Leistungsträger zu werden.
Der Präsident von Gesamtmetall sagte vor der Presse: „Der Ruderer war viel zu teuer. Wir haben jetzt seinen Lohn, sein Urlaubsgeld und seine Sonderzahlung gekürzt. Dafür haben wir den Aufgabenbereich erweitert und ihm noch mehr Verantwortung gegeben. Mit diesen Maßnahmen werden wir im Wettbewerb mit den Japanern gewinnen.“
Doch dieses Mal gewannen die Japaner mit zwei Kilometern Vorsprung. Daraufhin wurde der Ruderer wegen schlechter Leistung entlassen. Das Ruder wurde verkauft. Alle Investitionen in neues Gerät und in die Entwicklung eines neuen Bootes wurden gestoppt. Das Wasser im Trainingskanal des Freizeitparks wurde eingespart. Der Entwicklungsfirma wurde eine lobende Anerkennung ausgesprochen. Sie erhielt den Innovationspreis des Bundesforschungsministers. Das eingesparte Geld wurde an das oberste Management ausgeschüttet. Der Präsident von Gesamtmetall: „Nur so sind wir jetzt wieder wettbewerbsfähig geworden.“ Karl-Heinz Kreutzer
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