■ Mit dem VW-Jesuiten auf du und du: Ignacios Quantensprung
Berlin (dpa/taz) – Von Feinden umgeben ist so einer immer, und wenn mal keiner zu Stelle ist, macht er sich schnell einen neuen. Deswegen hat sich José Ignacio López de Arriortúa den braven Don Quichotte de la Mancha zum Vorbild auserkoren. Hundert Tage ist er nun im Amt, der neue VW-Chefeinkäufer. Der Autokonzern steckt in seiner tiefsten Krise, Zehntausende sind auf Kurzarbeit gesetzt. Aber wenn Don Ignacio die Presse ruft, will er nicht davon sprechen. Vor seinen Augen liegt ein Schlachtfeld, Opfer gehören dazu, es herrscht Krieg im Land der Autofahrer: „Wenn wir die Schlacht gegen die Japaner nicht gewinnen, werden wir Bürger zweiter Klasse“, sagte er.
Ein halbes Dutzend Miesmacher liegt schon röchelnd im Staub. Neider von Opel waren das, die ihm, dem starken Basken, immer noch vorwerfen, er habe geheime Papiere mitgenommen. Hat er nicht, sagt er, nur sein „persönliches Wissen“, und wenn doch, dann hat es den Konkurrenten nicht geschadet. Wenigstens nicht nachweisbar, befand ein Gericht.
Auf ins nächste Gefecht, was kümmern ihn deutsche Staatsanwälte, die immer noch wissen wollen, was in jenen vierzehn Kisten steckt, die er aus Rüsselsheim abholen ließ, und was die Gerüchte, daß es manchen in Wolfsburg nun doch ein wenig graust vor dem Mann, der neben Don Quichotte auch Ignatius von Loyola, den Gründer des Jesuitenordens, zu seinen Leitbildern zählt?
Er hat größere Sorgen, und seine Feinde sind so zahllos, daß er nicht recht weiß, wo er zuerst hinhauen soll: auf die billigen Japaner, Koreaner und Amerikaner, die schlampigen Techniker zu Hause oder die viel zu teuren Lieferanten?
„Alle sind wir Brüder“, seid umschlungen. Lopez will den Zulieferen von VW „helfen, die Kosten zu senken“. Sie werden sich der Garotte schon fügen, Lopéz redet nicht, er hat schon gehandelt. VW nämlich, drohte er gestern, werde „das billigste Auto der Welt bauen“. Nur leider nicht in Wolfsburg, sondern in Spanien, genauer: in Don Ignacios baskischer Heimat, wo der Konzern ein nagelneues Werk hinstellen will.
Nach diesem Fanfarenstoß allerdings verwirrte sich die Rede des Kriegers und verlor sich in dunklen Ahnungen. Nein, wie teuer der baskische Befreiungsschlag werde, wisse er nicht, auch nicht, wie viele Arbeitsplätze dort entstehen könnten. Spanische Investoren hätten ihn dazu angeregt, seine Techniker befaßten sich nun mit einem „Pilotkonzept“. Auch sie sind brüderlich in die Mangel genommen und müssen in sogenannten Workshops das Gottesurteil bestehen. Der „Würger“, wie er in Rüsselsheim genannt wurde, verlangt nichts weniger als einen „Quantensprung an Kreativität“ gegen die Japaner.
Ignacio Lopez Foto: Reuter
Vielleicht helfen die Tips aus Opels Küche weiter, als der Inquisitor zugeben will. Noch steht das Gerichtsverfahren in der Sache bevor. Don Lopez sattelt schon mal zum nächsten Ritt. Die deutsche Rezession nämlich, sei in Wahrheit „die dritte industrielle Revolution“. Wer das nicht begreife, werde untergehen. Ob ihn da nicht doch die Flügel einer Windmühle erwischt haben? nh
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