■ Mit dem Superdinar auf du und du: Vierte Währungsreform
Belgrad (taz) – Groß ist die Zahl der serbischen Geschichtshelden. Aber noch größer ist die jugoslawische Inflation – sie beträgt stündlich zwei Prozent. Nach 33 neuen Geldscheinen innerhalb von anderthalb Jahren, also alle zwei Wochen ein neuer, sind alle schein-würdigen Persönlichkeiten verbraucht. Heute erfolgt mit der Einführung des „Superdinars“ bereits der vierte Währungsschnitt.
Im Sommer 1992 wurde die erste Null vom Dinar entfernt – der Startschuß für eine einmalige Hyperinflation. Als im Oktober 1993 ein 10-Milliarden- Schein in Umlauf gebracht wurde und sich die Bevölkerung entgültig im Nullensalat verlor, erbarmte sich die Regierung und verordnete eine neue Denomination. Die Notendruckerei fing wieder bei 100 Dinar an. Die Schein-Helden wurden recycelt, alte Konterfeis kamen zu neuen Ehren. Doch diesmal drehte sich das Inflationskarussell noch schneller. Schon nach zwei Monaten mußte ein 500-Milliarden-Schein ausgegeben werden – die größte Zahl, die je auf einer Banknote stand.
In der Neujahrsnacht wurde dann dann die dritte, nicht minder erfolglose Null-Runde eingeläutet. Der Glühbirnenerfinder Nikola Teslo ziert nun schon fünf verschiedene Banknoten. Ein echtes Sammlerstück ist der neue 10-Millionen-Schein mit dem Bild des Schriftstellers Ivo Andrić. Doch bevor alle Scheine dieser Auflage ausgegeben waren, hatten sie schon ihren Wert verloren. Die Restbestände werden jetzt noch einmal verwendet – sie bekommen einen roten „1994“-Stempel.
Der Alltag wird angesichts des Währungskollapses immer grotesker. So ist die Kassentechnik in den Supermärkten mit zwölfstelligen Beträgen heillos überfordert. Gehälter und Renten werden meist in Naturalien ausgegeben. Die Privatwirtschaft hat sich schon vor Monaten vom Dinar verabschiedet und nimmt am liebsten D-Mark. Kleingeld ist kostbar: Wer einen 10-Mark-Schein in Markstücke wechseln will, muß zwei Mark „Gebühr“ abdrücken.
Das ganz große Geschäft machen natürlich „die da oben“. Unter dem Titel „Der große Beschiß“ veröffentlichte die Tageszeitung Borba eine Serie, in der namhafte Ökonomen nach der Methode im Chaos suchten. Ergebnis: Inflation und Devisenschwarzmarkt sind neben Sparbuchklau, Luxussteuern auf Seife und Ausreisevisa nur zwei von vielen Instrumenten, um der Bevölkerung die letzten Devisen aus der Tasche zu ziehen. Die Banken helfen kräftig mit – angeblich haben sie sogar ihre eigenen Schwarzmarkthändler, die schon mit den neuesten Dinarscheinen handeln, während für die Auszahlung der Renten angeblich nie genug Bargeld in den Kassen ist.
Das neueste Produkt des devisenhungrigen Erfindungsgeistes: Der „Superdinar“, angebunden an die D-Mark, konvertibel und angeblich voll durch Devisenreserven der Bundesbank gedeckt. Teil eines „durchdachten Stabilisierungsprogrammes“ (O-Ton Regierung) oder eine „Mogelpackung, die die Bevölkerung über die Winterdepression bringen und der Regierung ein wenig Luft verschaffen soll“ (O-Ton Opposition)? Sicher ist nur eins: Mit Superdinar, Regierungsbildung und etwas Genf bleiben die Bürger auch nach den Wahlen beschäftigt. Karen Thurnau
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