■ Mit dem Stabilitätspakt auf du und du: Wer zahlt die Zeche?
Freiburg (taz) – Langsam merken die Finanzminister von Bund und Ländern, was sie sich mit ihrer Stabilitätshuberei eingebrockt haben – und streiten sich, wer dafür nun die Zeche zu zahlen hat. Auf massiven deutschen Druck wurde im vergangenen Dezember beim EU- Gipfeltreffen in Dublin ein Stabilitätspakt verabschiedet: Mitglieder der Währungsunion müssen bei übermäßigen Defiziten Strafe zahlen. Deutschland müßte dabei nach derzeitigem Ermessen mit Forderungen von mindestens acht Milliarden Mark rechnen.
Wer aber zahlt die Strafe? Für die EU ist die Sache einfach, sie hält sich erst einmal an den Bund. Der aber wird dann auch die Länder, deren Defizite ja auch in die Berechnung einfließen, zur Kasse bitten.
Bundesfinanzminister Waigel hat daher im vergangenen Sommer die Idee eines „nationalen Stabilitätspaktes“ in die Diskussion gebracht. Damit will er die Länder haushaltspolitisch in die Pflicht nehmen, damit die Verschuldungskriterien überhaupt erfüllt werden können. Zugleich will er sie verpflichten, sich gegebenenfalls am EU- Bußgeld zu beteiligen.
Die Länder sind auch grundsätzlich bereit, über Waigels Paktidee zu reden. Wie jedoch, darüber sind sie völlig zerstritten. Die reichen Länder wollen jedenfalls nicht für die Schulden der ärmeren geradestehen müssen.
Bei einer Neuverschuldung entsprechend des Maastricht- Vertrags in Höhe von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sind pro Jahr rund 110 Milliarden Mark Defizit zu „verteilen“. Der Bund hat vorgeschlagen, dieses Schuldenkontingent zwischen Bund und Ländern hälftig aufzuteilen. Die Länder, insoweit einig, wollen mehr Schulden machen dürfen. Diskutiert wird über ein Verhältnis von 60:40 oder 55:45.
Nun ist jedoch ein noch viel heftigerer Streit der Länder untereinander entbrannt. Finanzstarke Bundesländer wie Bayern und Nordrhein-Westfalen wollen sich möglichst weit aus der Verantwortung zurückziehen. Sie fordern daher, das jeweilige Bruttoinlandsprodukt als Schlüssel heranzuziehen. Dann gälte die Maxime: „Wo viel produziert wird, können auch viele Schulden gemacht werden“ – ein insbesondere für die ostdeutschen Länder völlig inakzeptables Modell.
Die finanzschwachen Länder wollen die künftige Schuldenoption entsprechend der bisherigen Schuldenaufnahme verteilen. „Da wird unsere Sparsamkeit ja noch bestraft“, protestierte hiergegen sofort Bayerns Finanzminister Erwin Huber. Die saarländische Finanzministerin Christiane Krajewski fordert Gerechtigkeit: Das Saarland sei völlig unverschuldet in eine extreme Haushaltsnotlage geraten und sei in einer solchen Situation „nicht bereit und auch nicht in der Lage, Strafzinsen zu bezahlen“.
Neben den inhaltlichen Differenzen muß auch noch ein formaler Streitpunkt ausgeräumt werden. Theo Waigel will seinen Pakt als einfaches Bundesgesetz verabschieden. Die Länder wären dabei über den Bundesrat, der mehrheitlich zustimmen muß, beteiligt.
Bayern dagegen fordert einen Staatsvertrag von Bund und Ländern. Die Folge: Es müßten nicht nur alle Landesregierungen, sondern auch noch alle Landtage zustimmen. Eine Mittellinie vertritt Nordrhein- Westfalens Finanzminister Heinz Schleußer: Er will zwar ein Bundesgesetz genügen lassen. Vorher aber müsse mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat der Arikel 109 des Grundgesetzes über die Grundsätze der Haushaltswirtschaft geändert werden. Daß eine solche Verfassungsänderung erforderlich ist, wird im Bundesfinanzministerium allerdings vehement bestritten. Christian Rath
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